Berlin. Wie nennt man den Krisenstaat im Osten Europas richtigerweise: Belarus oder Weißrussland? Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort.

  • In Deutschland nennen viele Menschen Belarus auch „Weißrussland“
  • Der überwiegende Teil der Belarussen lehnt den Namen „Weißrussland“ jedoch ab
  • Welcher Name ist korrekt? Und wie unterscheiden sich die beiden Begriffe geschichtlich voneinander?

Vielen erscheint das Wort noch etwas fremd, es will nicht recht über die Lippen: Belarus. Die meisten Deutschen sind daran gewohnt, den aktuell kriselnden Staat im Osten Europas als Weißrussland zu bezeichnen. Und auf den ersten Blick scheint es sich bei diesem Namen auch einfach um die Übersetzung des Begriffs „Weißrussland“ zu handeln. Bedeutet doch „bela“ weiß und „Rus“ Russland – so könnte man meinen.

Tatsächlich liegt der Ursprung des Namens in der mittelalterlichen Kiewer Rus, dem ersten ostslawischen Großreich. Aus diesem gingen mehrere Kulturen und Staaten hervor: Russland, die Ukraine und eben Weißrus(s)land.

Belarus – wie die Weiße Rus russisch wurde

Bis 1793 geriet das heutige Belarus vollständig unter russische Herrschaft. Russland bejubelte dies als eine Wiedervereinigung. Zarin Katharina die Große verkündete stolz nach dem Anschluss der Weißen Rus: „Ich habe das Entrissene zurückgeholt.“

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Bei der Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik unabhängig. Seither trägt sie den amtlichen Namen Respublika Belarus. Die Mehrheit der Menschen sieht sich auch als Belarussen, eigentlich müsste man sogar sagen Belarusen. Dafür plädiert auch die mit Historikerinnen und Historikern beider Länder besetzte Belarusisch-Deutsche Geschichtskommission.

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    „Weißrussland“ betont die Nähe zu Russland

    Der überwiegende Teil der Belarussen lehnt den Namen „Weißrussland“ ab, weil er assoziiert, dass das Land mit Russland gleichzusetzen oder gar ein Teil davon sei. Der Begriff liest sich wie die Bestätigung einer territorialen Verbindung zwischen beiden Ländern und betont zugleich eine russische Hegemonie.

    Tatsächlich stehen sich Belarussen und Russen kulturell und geschichtlich nahe, dennoch fühlen sich die Belarussen als eigenständig – so wie die Ukrainer. Dies zeigte sich auch bei den Massenprotesten der vergangenen Tage, als die Demonstranten Fahnen in den alten belarussischen Farben weiß und rot schwenkten.

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    Präsident Lukaschenko setzt auf sowjetische Symbole

    Langzeit-Präsident Alexander Lukaschenko, der belarussisch eigentlich Aljaksandr Lukaschenka heißt, hatte dagegen auf sowjetische Insignien gesetzt und so die geschichtliche Nähe zu Russland betont. Das Staatswappen etwa zeigt bis heute den roten Stern.

    Zu Beginn seiner Regentschaft träumte Lukaschenko von einer neuen Sowjetunion unter Einschluss Russlands, der Ukraine und Weißrusslands. Ausdruck dessen waren meist folgenlose Verträge wie jener über die Russisch-Weißrussische Union.

    Die Beziehungen zu Russland haben sich mit Amtsantritt Wladimir Putins abgekühlt. Ein Wiederaufleben der Rus steht aktuell in Minsk nicht auf der Agenda. Der Begriff Belarus unterstreicht den Wunsch nach Unabhängigkeit. Die großen deutschen Medien und Nachrichtenagenturen verwenden den Namen ebenso wie das Auswärtige Amt.

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