Karlsruhe. Die FDP und viele andere klagen gegen die bundeseinheitlichen Regeln zur Corona-Bekämpfung. Die Karlsruher Richter haben entschieden.
Das Bundesverfassungsgericht setzt die Ausgangsbeschränkungen der sogenannten "Notbremse" nicht außer Kraft. Damit ist jedoch noch kein Urteil gefällt, ob die Bundes-Notbremse an sich mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wie die Richter am Mittwochabend mitteilten. "Eine solche Entscheidung kann das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren nicht treffen", hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung. Diese Frage müsse im Hauptsachverfahren geklärt werden.
Aus Sicht der Richter dienten die Ausgangsbeschränkungen dem legitimen Zweck das Leben und die Gesundheit der Bürger in der Corona-Pandemie zu schützen. Zudem sei der Gedanke, dass dadurch private Zusammenkünfte reduziert würden erst einmal nachvollziehbar. Auch seien Ausgangsbeschränkungen nach Meinung des Gerichts „verfassungsschonender“ zu kontrollieren als private Treffen an sich.
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Bundes-Notbremse: Darum geht es bei den Klagen
Das Gericht beschäftigt sich mit den bundeseinheitlichen Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie, da zahlreiche Verfassungsklagen gegen die "Notbremse" eingereicht wurden. Mehr als 200 Verfahren sind deshalb anhängig (Stand: 29. April), weitere können hinzukommen.
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Nicht alle dieser Klagen werden direkt in Karlsruhe zugelassen, einige werden zunächst niedrigere Instanzen passieren müssen. Auch interessant: Kann ich mich auch in einem anderen Bundesland impfen lassen?
Manche Klagen richten sich gegen das gesamte Maßnahmenpaket, andere nur gegen einzelne Punkte. Unter den Klägern sind die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Politiker verschiedener Parteien und Anwälte.
Inzidenz ab 100: Nächtliche Ausgangsbeschränkungen
Bundestag und Bundesrat hatten die umstrittene Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes vergangene Woche abgesegnet. Sie sieht bundeseinheitliche Regeln für Regionen vor, in denen bestimmte Corona-Kennzahlen überschritten werden. Demnach gelten unter anderem Ausgangsbeschränkungen von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr in Städten oder Kreisen, in denen binnen einer Woche 100 oder mehr Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner festgestellt werden. An den Regeln, die einen Flickenteppich verhindern sollen, gibt es viel Kritik.
Die seit dem 24. April gültigen Ausgangssperren seien ein „tiefer Grundrechtseingriff“, der aber allein auf den „nackten Inzidenzzahlen“ beruhe, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann am Dienstag in Berlin. Völlig außer acht gelassen werde dabei, ob die Inzidenzen auf diffuse Ausbrüche oder auf bestimmte Cluster mit hohen Ansteckungsraten zurückgehen. Lesen Sie auch: Astrazeneca: Wer haftet bei Impfschäden mit dem Vakzin?
Die Gerichte hätten aber deutlich gemacht, dass ihnen die Frage, ob es um diffuse Ausbrüche oder Clusterbildung gehe, sagte Buschmann. Mit der Verfassungsklage beantragten die Abgeordneten zugleich einstweiligen Rechtsschutz, um eine rasche Entscheidung herbeizuführen.
Gerichtsurteile lassen Kläger hoffen
Verschiedene Gerichte in Deutschland hatten bereits die Verfassungsmäßigkeit von Ausgangssperren infrage gestellt. So hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Greifswald in der vergangenen Woche die in Mecklenburg-Vorpommern geltende Ausgangssperre aufgehoben und grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit solcher Sperren zur Eindämmung der Corona-Pandemie angemeldet. Sie seien unverhältnismäßig, hieß es in der Begründung.
Auch in Nordrhein-Westfalen haben Kreise die Streitfrage nun dem OVG vorgelegt. Zuvor hatten Gerichte in verschiedenen Kreisen, etwa in Arnsberg, entschieden, die Behörden hätten die Notwendigkeit einer Ausgangssperre im Kampf gegen Corona nicht genügend begründet.
FDP: Staat muss Einschränkung von Freiheit begründen
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Es sei nicht so, dass die Bürger begründen müssten, warum sie ihre Freiheitsrechte wahrnehmen wollten, sagte Buschmann. Vielmehr müsse der Staat begründen, warum er diese einschränken wolle. Lesen Sie hier: Wohin Geimpfte ohne Quarantäne reisen können
Nach Buschmanns Überzeugung werden die zahlreichen Verfassungsklagen gegen die Notbremse durch die von der Bundesregierung geplanten Erleichterungen für vollständig Geimpfte keineswegs hinfällig. „Wir freuen uns über jegliche Erleichterung“, sagte Buschmann. „Aber die rechtlichen Fragen erledigen sich damit auf keinen Fall.“ Mehr zum Thema: Corona-Impfstoffe im Vergleich: Biontech, Moderna, Curevac & Co.
FDP kritisiert Regeln für Kontakte
Die FDP-Fraktion wehre sich auch gegen widersprüchliche Besuchsregelungen. „Die Kontaktbeschränkungen auf eine Kontaktperson sind ungeeignet“, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae.
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Nach den Vorstellungen der Bundesregierung dürfe zwar ein Kind oder Enkelkind allein seine beiden Eltern oder Großeltern besuchen; die Eltern oder Großeltern dürften aber nicht gemeinsam das Kind oder Enkelkind besuchen, egal ob sie bereits geimpft seien oder nicht, kritisierte der FDP Politiker eine fehlende Logik hinter der Einschränkung.
(mja/dpa/afp)