Berlin. Wahlkampf: Die Serie von Fehlern bei Armin Laschet und Annalena Baerbock reißt nicht ab. Das macht sich in den Umfragen bemerkbar.

Diese Umfrage ist für Armin Laschet besonders bitter. Könnten die Deutschen ihren Kanzler direkt wählen, käme der Kandidat der Union laut ak­tuellem ARD-"Deutschlandtrend" nur noch auf 20 Prozent, acht Punkte weniger als vor einem Monat.

Für die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock würden sich gar nur 16 Prozent entscheiden (Vormonat: 18 Prozent). SPD-Kandidat Olaf Scholz liegt mit 35 Prozent derzeit weit vor seinen Mitbewerbern.

Bundestagswahl: Union und Grüne verlieren an Zuspruch

Nun wird bei der Bundestagswahl nicht der Regierungschef direkt gewählt. Aber die miesen Werte für Laschet schlagen auch auf die Union durch. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Kantar-Umfrage für den "Focus" haben die Konservativen binnen einer Woche drei Prozentpunkte verloren und liegen jetzt nur noch bei 24 Prozent. Die Grünen kämen auf 22 Prozent, die SPD auf 18.

Ein schwarz-grünes Bündnis, was lange als die wahrscheinlichste Konstellation für die nächste Regierung galt, hätte keine Mehrheit mehr. Vor allem in der Union dürfte das die ohnehin schlechte Stimmung weiter dämpfen: Im Juni hatte sie in den Umfragen noch 30 Prozent erreicht, ein Wahlsieg schien unaufhaltbar. Schon damals fanden einige, Laschet zeige zu wenig Profil im Wahlkampf. Doch weil er von den Fehlern der Grünen profitierte, blieben die Kritiker stumm. Inzwischen zeigen einige offen ihren Frust.

"Mich nicht zum Wahlkampf der CDU zu äußern, ist momentan alles, was ich für meine Partei tun kann", twitterte etwa der CDU-Politiker André Neumann, Oberbürgermeister im thüringischen Altenburg. Noch deutlicher wurde Markus Söder, als er die Union vor einem Wahlkampf "im Schlafwagenmodus" warnte. Sich selbst kann der hyperaktive CSU-Vorsitzende nicht gemeint haben.

Laschet und Baerbock: Pannen fallen ins Gewicht

Doch wie kam es zum Absturz von Laschet? Kleinere Pannen gab es schon seit Monaten. Aber weil sich die Medien vor allem auf die Patzer von Baerbock konzentrierten, fielen diese nicht allzu sehr auf. Dann kam die Flut.

Weil Nordrhein-Westfalen neben Rheinland-Pfalz am stärksten betroffen war, schien dies zunächst für Laschet als Landesvater eine Gelegenheit, um sich als Krisenmanager zu profilieren. Aber dann machte er fast alles falsch. In einem Moment der Selbstvergessenheit scherzte er im Hintergrund bei einer Rede des Bundespräsidenten im Krisengebiet.

Hochwasser: Laschets Flut-Management stark kritisiert

Konfrontiert mit der ohnmächtigen Wut von Betroffenen fand er nicht die richtigen Worte. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Olaf Scholz in Stolberg war es ausgerechnet der spröde Finanzminister, der die Botschaft der Stunde formulierte. "Was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen", versprach ein vom Regen durchnässter Scholz.

Laschet hatte sich tags zuvor ablichten lassen, wie er unter einem Regenschirm gut geschützt mit Flutopfern sprach. Es sind solche Bilder, die bei den Menschen hängen bleiben.

Baerbock: Beliebtheit leidet unter Fehltritten

Da ist es auch ein schwacher Trost, dass es bei der Konkurrenz kaum besser läuft. Auf das rekordverdächtige Umfragehoch der Grünen im April, nach der Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin, folgten ernüchternde Monate für die Partei. Ein aufgehübschter Lebenslauf und ein Buch, in dem ­Suchende zahlreiche Stellen fanden, die offenbar großzügig aus anderen Quellen kopiert waren, haben die Glaubwürdigkeit der Kandidatin massiv beschädigt.

Nicht hilfreich war, dass sie bei einem Pressetermin sich fälschlich im Oderbruch wähnte. Und auch die Partei lenkt mit hausgemachten Problemen immer von den Inhalten ab, über die Baerbock eigentlich reden will. So entschied der Bundeswahlausschuss eben, dass die Saar-Grünen ­keine Liste aufstellen dürfen – was Zehntausende Zweitstimmen kosten dürfte.

Schwarz-Grün: Experten sehen geringe Chancen

Von der "Duellposition" mit der Union, die die Grünen im Frühjahr noch beschworen, sei jedenfalls nicht mehr viel übrig, sagt Hubert Kleinert, Politikwissenschaftler und selbst lange aktiv für die Partei. "Die Konstellation von Anfang des Jahres wird sich kaum wieder einstellen", sagt er. Zwar hält er eine Verdoppelung des Wahlergebnisses von 2017 noch für möglich. Aber: "Selbst wenn sie sich verdoppeln, erscheint das als Misserfolg, weil die Latte so hoch hängt."

Noch ist das Rennen nicht entschieden. Fast ein Drittel der Deutschen hat sich laut ARD-"Deutschlandtrend" noch für keinen Kandidaten entschieden. Doch viel Zeit bleibt den Bewerbern nicht mehr. In einer Woche werden die ersten Briefwahlunterlagen verschickt. Vermutlich werden noch nie so viele Wähler wie zuvor ihre Stimme schon vor dem eigentlichen Wahltag vergeben.