Münster. Merz lässt sich von der Jungen Union bejubeln. Der Ampel zollt er Respekt, sein Ausblick für die CDU ist bitter. Aber was will er?

Drei Wochen nach der verheerenden Unions-Niederlage bei der Bundestagswahl hat der CDU-Politiker Friedrich Merz seine Partei auf eine schwere und möglicherweise längere Oppositionszeit eingeschworen. „Die Union ist mit dieser Wahl ein insolvenzgefährdeter, schwerer politischer Sanierungsfall geworden“, sagte Merz am Freitagabend während eines begeistert gefeierten Auftritts beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster.

Seit der Bundestagswahl 2013 habe die Union ein Drittel ihrer Wähler verloren, führte er weiter aus. „Wir haben eine historische Wahlniederlage hinnehmen müssen“, sagte Merz, der als möglicher neuer CDU-Vorsitzender im Gespräch ist.

Er warnte, es gebe auch keinen Automatismus, dass die Union die nächste Bundestagswahl 2025 gewinne: „Eine gewisse historische Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, dass es in vier Jahren einen Regierungswechsel geben wird“, sagte Merz. Die gemeinsame Erklärung der drei Ampel-Parteien vom Freitag nannte Merz ein „beachtliches Dokument“, das weniger sozialdemokratische Politik enthalte als der letzte Koalitionsvertrag von SPD und Union: „Wenn das so bleibt, dann stehen uns ziemlich schwere Zeiten bevor“.

Friedrich Merz sagt der Union harte Jahre voraus

Grüne und FDP ragten weit ins Wählerreservoir der Union hinein. Merz mahnte, die Union müsse schnell in den Modus einer konstruktiven Opposition kommen, die „nicht nur auf Obstruktion“ setze. Er forderte eine intensive inhaltliche Arbeit von CDU und CSU an und sprach von „harten Jahren“, die der Partei bevorstünden. Die Union müsse nun eine „Agenda 2025“ erarbeiten zu den großen Themen der Zeit, wozu Ökonomie, Ökologie und Demographie gehörten.

Die Union sei aber in der Regierungszeit „denkfaul“ geworden und habe sich in der Tagespolitik eingerichtet. Trotz seines nachdenklich-ernsten Tones wurde Merz von der Nachwuchsorganisation euphorisch und mit stehenden Ovationen gefeiert. Der frühere Fraktionschef legte sich nicht fest, ob er bei den anstehenden Neuwahlen der CDU-Führung im Dezember oder Januar als Kandidat für den Vorsitz antreten wird. „Ich habe mich noch nicht entschieden“, sagte Merz.

Er habe sich noch nicht festgelegt und mache dies davon abhängig, dass die CDU in der Lage sei, eine Mannschaft aufzustellen. Schon zuvor hatte Merz eine Kandidatur davon abhängig gemacht, dass darüber die Basis bei einer Mitgliederbefragung entscheidet und nicht nur ein Parteitag. Ob es zu einem solchen Mitgliederentscheid kommt, will der CDU-Vorstand am 2. November entscheiden. Stimmt die Basis tatsächlich über den neuen Vorsitzenden ab, sehen Parteigranden gute bis sehr gute Chancen für Merz, der zweimal knapp auf einem Parteitag gescheitert war.

Friedrich Merz, früherer CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hält eine Rede zum Auftakt des Deutschlandtages der Jungen Union.
Friedrich Merz, früherer CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hält eine Rede zum Auftakt des Deutschlandtages der Jungen Union. © dpa

Junge Union: „Ohne Mitgliederentscheid würde es Partei zerreißen“

Die Junge Union, die Merz schon zweimal im Rennen um den Vorsitz unterstützt hatte, erhebt jetzt sehr offensiv die Forderung nach einem solchen Mitgliederentscheid: „Es würde unsere Partei zerreißen, wenn jetzt erneut eine wegweisende Personalentscheidung an den Mitgliedern vorbei getroffen würde“, heißt es in einer „Politischen Wahlanalyse“, die die JU-Führung dem Deutschlandtag vorlegte.

JU-Chef Tilman Kuban versicherte aber, dass sich die Nachwuchstruppe erst positionieren wird, wenn das Kandidatenfeld feststeht. Als mögliche Bewerber gelten ja neben Merz auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, Gesundheitsminister Jens Spahn, Fraktionschef Ralph Brinkhaus und der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann. Außer Röttgen werden sie alle am Wochenende beim JU-Treffen auftreten.

Scharfe Abrechnung mit Laschet auf dem Deutschlandtag der JU

Am Samstag wird auch Laschet sprechen, mit Trost der Jungen Union kann er nicht rechnen, denn die Nachwuchstruppe hatte sich stets gegen ihn positioniert. In der Wahlanalyse heißt es, der Kanzlerkandidat habe die Herzen der Menschen nicht erreichen können, im Gegenteil hätten viele Wähler wegen des „Personalangebots“ nicht für die CDU gestimmt.

Das Wahlergebnis sei „ebenso katastrophal wie vermeidbar“ gewesen, so die Analyse weiter. Die Union habe aus eigener Schwäche verloren, nicht wegen der Stärke der anderen, heißt es in dem Papier. „Einer der schwerwiegendsten Fehler in diesem Wahlkampf bleibt, die Kanzlerfrage zu spät geklärt zu haben und danach nicht entschlossen und geschlossen in die Kampagne gestartet zu sein“, so die Analyse.

Diskussion bei der JU: Wollte Söder vor Kritikern kneifen?

Allerdings schwinden in der JU inzwischen auch die Sympathien für Söder, dem in der CDU wegen den Dauer-Sticheleien gegen Laschet im Wahlkampf eine Mitverantwortung für die Niederlage gegeben wird. In der Wahlanalyse heißt es, unmissverständlich auch mit Blick auf Söder, die Spitzen von CDU und CSU hätten keine gute Figur bei der Nominierung und im Wahlkampf abgegeben. Hat Söder deshalb einen für Samstag geplanten Auftritt beim Deutschlandtag abgesagt? Die CSU bestreitet das, aber Kuban zeigte sich verärgert und nannte die Absage sehr bedauerlich.

Nachdem sich die JU für Söder als Parteichef ausgesprochen habe, wäre es angemessen gewesen, wenn er sich auch der Diskussion um die Aufarbeitung der Niederlage und der Differenzen zwischen CDU und CSU stellen würde, meinte Kuban. Söder hatte zwar Termingründe geltend gemacht, doch in der JU heißt es, der CSU-Chef habe wohl Kritik an seinem von vielen Christdemokraten als unfair empfundenen Umgang mit Laschet befürchtet.