Berlin. Die CDU lässt ihre Mitglieder über den neuen Vorsitzenden entscheiden. Das kommt spät - und hat Schönheitsfehler, meint Jörg Quoos.

Willkommen an der urdemokratischen Basis! Nach der Wahlkatastrophe vom 26. September hat die Parteiführung der CDU jetzt tatsächlich die Mitglieder entdeckt. Sie dürfen über den neuen Vorsitzenden entscheiden.

Der Vorstand konnte nicht anders votieren, schließlich hat das traditionelle Wahlverfahren beim letzten Mal einen Vorsitzenden hervorgebracht, dem die Mehrheiten innerhalb und außerhalb der Parteibasis fehlten. Mit der Folge, dass die CDU die Macht verlor. Außerdem wurde der Wunsch der Kreisdelegierten vergangene Woche so massiv vorgetragen, dass die Ablehnung ein echter Affront gewesen wäre und den Frust in der Partei nur noch verschlimmert hätte.

CDU: Wahl des Vorsitzenden hat Schönheitsfehler

Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin
Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin © Dirk Bruniecki

Das jetzt gewählte Verfahren hat allerdings zwei Schönheitsfehler: Es ist zu langsam, und es ist als einmalige Aktion geplant. Die dreiphasige Chef-Suche mit Nominierungs-, Bewerbungs- und zwei Wahlrunden wird erst Mitte Januar beendet sein. Die CDU wird sich also zehn Wochen weiter mit sich selbst beschäftigen.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der seltsame Ampel-Kompromisse eine energische politische Gegenwehr erfordern, geht es in der größten Partei wieder um Personen, um Eitelkeiten, um Seilschaften, um Befindlichkeiten und immer neue Umfragewerte.

Dabei müsste die Partei schnell wieder handlungsfähig werden, denn es steht noch mehr auf dem Spiel. In nur sechs Monaten geht es schon um die Macht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Um hier die schlechte Stimmung zu drehen und den jungen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst im Sattel zu halten, müsste die Bundes-CDU eher gestern als morgen wieder schlagkräftig aufgestellt sein.

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Neues Verfahren nur einmalige Aktion?

Schwer vorstellbar ist auch, wie die Parteiführung der unzufriedenen Basis bei der nächsten Wahl die neue Entscheidungsfreiheit wieder nehmen will. Noch-CDU-Chef Armin Laschet bezeichnete das Verfahren als einmalige Aktion. Auch die Satzung soll dafür nicht geändert werden. Ob das funktioniert?

„Ihr dürft nur entscheiden, wenn wir versagen“ wäre eine seltsame Ansage. Bei dem basisdemokratischen Akt der Mitgliederbefragung könnte es am Ende sein wie bei der berühmten Zahnpastatube. Ist die Creme erst rausgequetscht, lässt sie sich nicht mehr einfach zurückverfrachten. Wir schreiben das Jahr 2021. Wähler und Parteimitglieder sind kritischer, ungeduldiger und auch selbstbewusster geworden. Sie werden sich nicht einfach so die Entscheidung über die Parteispitze wegnehmen lassen.

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In vier Jahren wird sich zeigen, ob die Entscheidung richtig war

Die CDU-Führung muss also damit rechnen, dass sich die Parteibasis nicht mehr vorschreiben lässt, wer an der Spitze der Partei zu stehen hat. Der Druck auf das repräsentative Verfahren wird gewaltig werden, und Armin Laschet hat das Glück, dass er ihn dann nicht mehr aushalten muss. Unterstellt man aber, dass die CDU nun auch künftig die Meinung der Partei bei Personalfragen einholen muss, ist der Schluss zulässig: Maximal populäre Kandidaten haben in Zukunft die besten Chancen in der CDU.

Die einfachen Parteimitglieder, die bei einem Basis-Entscheid das Wort haben, denken bei einer Wahl nicht strategisch darüber nach, welche Personalie ihnen bei der eigenen Partei-Karriere nutzt. Sie wählen eher den rhetorisch tollsten Hecht und weniger den abwägenden Intellektuellen.

Daher hat die CDU-Führung mit ihrer Entscheidung auch den politischen Stil der Volkspartei CDU geändert. In vier Jahren werden wir sehen, ob diese Entscheidung langfristig richtig war. Ob sie Vorsitzende hervorbringt, die auch die Kraft zum Machtwechsel haben. Denn ein Olaf Scholz wird das Kanzleramt sicher nicht so leicht hergeben.