Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigt Erleichterungen beim Reisen oder Einkaufen an. Welche Rechte sollen Geimpfte bekommen können?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will Geimpften mehr Rechte beim Reisen oder Einkaufen einräumen. Bis Ende April soll ein Fünftel der Bevölkerung zumindest die erste Dosis erhalten haben, prognostizierte der CDU-Politiker. Bis jetzt wurden zwölf Prozent der Bürgerinnen und Bürger mindestens einmal geimpft. Doch die Mehrheit der Deutschen zweifelt an der Zusage der Bundesregierung, nach der bis Ende des Sommers jeder ein Impfangebot bekommen werde.

Welche Rechte sollen Geimpfte zurück bekommen?

Es ist eine Ansage mit doppelter Botschaft: Gesundheitsminister Spahn will Geimpften mehr Freiheiten einräumen, mahnt aber gleichzeitig weiterhin die Einhaltung der Hygieneregeln an. "Wer vollständig geimpft wurde, kann beim Reisen oder beim Einkaufen wie jemand behandelt werden, der ein negatives Testergebnis hat", so Spahn.

Wenn die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen sei und weitere auf Schnelltests beruhende Öffnungsschritte wie beim Einzelhandel gegangen würden, käme diese Grundsatzentscheidung zum Tragen. "Wer geimpft ist, kann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur", unterstrich Spahn.

Trotzdem seien Abstandsregeln, Hygiene und medizinische Schutzmasken für negativ Getestete wie für vollständig Geimpfte weiterhin notwendig. "Denn sowohl der tagesaktuelle Test als auch die vollständige Impfung reduzieren das Infektionsrisiko zwar deutlich, aber sie geben keine hundertprozentige Sicherheit davor, andere zu infizieren", sagte Spahn. "Impfen verhindert nicht die dritte Welle – die dritte Welle wächst."

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Auf welche Erkenntnisse stützt Spahn seine Initiative?

Bei seinem Vorstoß für Geimpfte, bezog sich Spahn auf eine Auswertung neuester Erkenntnisse durch das Robert Koch-Institut (RKI). Demnach könne die Test- und Quarantänepflicht für vollständig Geimpfte zügig aufgehoben werden, berichtete die "Bild am Sonntag".

Laut RKI sind vollständig Geimpfte weniger infektiös als symptomlos Infizierte mit negativem Corona-Schnelltest. Das Risiko einer Übertragung erscheine "nach gegenwärtigem Kenntnisstand in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielen". Lesen Sie hier: Verfassungsrichter Harbarth - Diese Rechte haben Geimpfte

Wie reagiert die Politik auf Spahns Vorstoß?

Der Städte- und Gemeindebund unterstützt Spahns Idee. "Wenn sichergestellt ist, dass bereits geimpfte Personen nicht mehr ansteckend sind, sollten sie auch von den notwendigen Maßnahmen ausgenommen werden und beispielsweise keinen verpflichtenden Test mehr vor Einkauf oder Restaurantbesuch machen müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. "Dies würde zudem den Anreiz, sich impfen zu lassen, noch einmal deutlich erhöhen."

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) plädierte schon im Januar dafür, Geimpften ihre Grundrechte zurückzugeben. Sie ist wie Spahn dafür, Geimpfte mit negativ Getesteten gleichzusetzen.

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    Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach pflichtete Spahn ebenfalls bei. "Ich unterstütze diesen Vorschlag, weil es sich gezeigt hat, dass Geimpfte sich nur noch selten anstecken und sie wahrscheinlich bei Ansteckung nicht mehr ansteckend für andere sind", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

    Auch der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, verlangte mehr Freiheitsrechte für Geimpfte. "Natürlich müssen, wenn die wissenschaftlichen Daten die Unbedenklichkeit bestätigen, Geimpfte alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können", sagte er unserer Redaktion.

    FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki übte an Spahns Vorstoß im "Tagesspiegel" Kritik aus. Nach Aussage des Bundesgesundheitsministers müsste erst die dritte Welle gebrochen sein - Kubicki sieht als verfassungsrechtliche Konsequenz aus dem RKI-Befund, dass die Beschränkungen für vollständig Geimpfte "sofort" aufgehoben werden müssten.

    Wie viel Vertrauen haben die Deutschen in den Impfkurs der Regierung?

    Die Zuversicht hält sich in Grenzen. Nach einer Umfrage des Instituts Yougov erwartet nur knapp ein Viertel der Bundesbürger, dass das Ziel eingehalten werde, bis Ende des Sommers jedem Impfwilligen eine Corona-Impfung anzubieten. 62 Prozent rechnen nicht damit. (bac/day)