Nach dem Impfgipfel stellt sich die Frage: Verheddert sich die Politik in der Debatte um Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche?

Deutschland hat sich bereits vor den Beratungen zu Corona-Impfungen bei Kindern in einer emotional geführten Pandemie-Debatte verheddert. Nach dem jüngsten Beschluss von Bund und Ländern dürfte es nicht besser werden. Noch bevor in Europa ein Impfstoff für über 12-Jährige zugelassen ist, haben Mediziner, Patientenschützer und Politiker darüber gezankt, ob tatsächlich jeder Schüler in dieser Altersgruppe zum Ende der Sommerferien einen schützenden Piks in den Oberarm bekommen kann und soll. Der Streit wird geführt, als könne eine Corona-Impfung für Kinder das Ende der Pandemie bedeuten. Doch das ist nicht der Fall.

Gewiss, an diesem Freitag will die EU-Arzneimittelbehörde EMA darüber befinden, ob der Impfstoff von Biontech/Pfizer eine Zulassung auch für Jüngere erhält. Viele Beobachter gehen davon aus, dass das Gremium das Vakzin auch für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren freigeben wird. Es wäre ein bedeutender Schritt im Kampf gegen das Virus. Denn damit könnten allein in Deutschland rund drei Millionen Kinder und Jugendliche gegen Covid-19 geschützt werden. In den USA und in Kanada werden Jüngere bereits seit einiger Zeit geimpft.

Impfungen bei Kindern: Werden die Zweifel der Stiko ignoriert?

Und doch hat die Debatte zu diesem Thema einen schalen Beigeschmack. Zum einen scheint es, als habe die Politik nach monatelanger Nichtbeachtung der Bedürfnisse der Jugend in der Pandemie plötzlich entdeckt, dass sie auch für diese Gruppe ganz schnell etwas tun muss, selbst wenn die Fachleute der Ständigen Impfkommission (Stiko) aus medizinischen Erwägungen heraus Bedenken gegen eine übereilte Corona-Massenimpfung bei Jüngeren äußern. Lesen Sie auch: Thrombosen nach Corona-Impfung – Forscher entdecken Ursache

Doch den Bundesgesundheitsminister und auch viele Regierungschefinnen und -chefs in den Ländern schienen diese Zweifel der obersten deutschen Impf-Expertenrunde zuletzt wenig zu kümmern. Etliche Politiker haben stattdessen nur das eine Ziel vor Augen: Dass es jetzt möglichst fix vorangeht bei den Kindern. Zu möglichen Risiken und Nebenwirkungen bitte den Arzt oder Apotheker fragen.

Alessandro Peduto
Alessandro Peduto © FMG | FMG

Fast drängt sich sogar der Verdacht auf, als lege die Politik nicht allein wegen der Jugend ein solches Tempo an den Tag, sondern auch wegen der Eltern. Viele von ihnen sind nach Monaten des Homeschoolings ebenso entnervt wie ihr Nachwuchs. Zugleich sind Millionen Väter und Mütter im Herbst, also wenige Wochen nach dem Schulstart, zur Wahl eines neuen Bundestags aufgerufen. Eine Rückkehr in einen geregelten Schulalltag könnte die Stimmung immens beflügeln.

Kinder gehören in der breiten Masse nicht zur Corona-Risikogruppe

Trotzdem ist es eine Illusion zu glauben, dass nach dem Schulstart wieder überall unbeschwerter Unterricht möglich sein wird. Denn selbst wenn viele Kinder über 12 Jahren geimpft sind, wird es weiterhin Millionen von jüngeren Schülern und Kita-Kindern geben, für die es eben nach wie vor keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Es ist daher schwer vorstellbar, dass die Pandemiebeschränkungen für diese Gruppe komplett wegfallen und wieder ein Alltag wie vor Corona möglich wird. Auch interessant: Sylt: 1100 Kontakte nach Corona-Infektionen in Restaurants

Ohnehin stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, Kinder und Jugendliche vorrangig zu impfen. Vielmehr sollte der Corona-Schutz weiterhin zunächst jenen Bevölkerungsgruppen zugutekommen, bei denen das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufs erhöht ist. Kinder gehören in der breiten Masse bekanntlich nicht dazu – Eltern, Lehrkräfte sowie Beschäftigte in Kitas und Horten hingegen viel eher.

Um einen sicheren Bildungsalltag zu gewährleisten, wäre es hilfreich gewesen, weiter zuerst diese großen Gruppen zu schützen, statt Impfdosen für die Jüngeren zu reservieren, die dann bei den Älteren fehlen.