Berlin. Raus aus dem Lockdown: In Israel dürfen Menschen wieder ins Fitnessstudio, Hotel oder Theater – allerdings nur, wenn sie geimpft sind.

Nach monatelangem Lockdown mit den härtesten Grundrechtseinschränkungen seit Jahrzehnten schauen viele Deutsche hoffnungsvoll nach Israel. Dort dürfen seit Sonntag mehr als drei Millionen bereits geimpfte oder von einer Infektion genesene Israelis in Fitnessstudios, Hotels, ins Theater oder bald ins Ausland reisen.

Die Eintrittskarte für die ersten großen Schritte zurück in die Normalität ist ein grüner Impfpass. Dieser wird in der App Ramzor (deutsch Ampel) auf dem Smartphone gespeichert und vorgezeigt.

Möglich wird dieser spektakuläre Schritt in Israel, weil der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer offensichtlich zu mehr als 90 Prozent die Übertragung des Virus auf andere Menschen verhindert. Dies jedenfalls geht aus einer noch unveröffentlichten Beobachtungsstudie der Unternehmen und des israelischen Gesundheitsministeriums hervor. Bestätigen sich die Zahlen, könnte dies ein Wendepunkt in der Pandemie sein. Jetzt mehren sich in Deutschland die Stimmen, die für eine rasche Aufhebung eingeschränkter Freiheitsrechte für Geimpfte eintreten.

Ist die Bundesregierung bereit, Geimpften rasch ihre Rechte zurückzugeben?

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ist dafür und verweist ausdrücklich auf Israel. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Hoteliers oder Gastronomen sagen, für Geimpfte ist der Zugang möglich“, sagte die SPD-Politikerin bei ntv. Menschen, die einen negativen Schnelltest vorweisen könnten, müssten aber ebenso Zugang zu Lockerungen bekommen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) argumentiert ähnlich: „Da nun gesichert scheint, dass von Geimpften kaum noch Infektionsgefahr ausgeht, müssen die Grundrechtsbeschränkungen für diese Menschen weitgehend aufgehoben werden.“ Dies gebiete „unsere verfassungsrechtliche Ordnung“.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist ebenfalls dafür, geimpften und negativ auf Corona getesteten Personen mehr Freiheiten zu gewähren. „Immer mehr Menschen werden nach und nach geimpft werden“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. „Wenn dann auch keine Ansteckungsgefahr mehr bestehen sollte, könnte auch ein Restaurantbesuch und manches mehr möglich sein.“ Als zweiten Weg nannte Weil Tests, die ein negatives Ergebnis aufweisen. „Wenn die neue Schnelltest-Generation leichter handhabbar und zugleich zuverlässig ist, ergeben sich daraus ganz neue Perspektiven.“

Was halten Experten von raschen Freiheiten für Geimpfte?

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die israelischen Forschungsergebnisse noch lange nicht als möglichen Ausweg aus dem harten Pandemie-Regime. Eine schnelle Rückgabe von Freiheitsrechten sei „abwegig“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Es wird noch bis Mitte des Jahres dauern, bis wir überhaupt die Risikogruppen geimpft haben.“ Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, positioniert sich deutlich offener.

Schnellere Impfungen für Erzieher und Lehrer geplant

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    Es dürfe natürlich nicht so sein, „dass die Immunen sofort alle Masken fallen lassen dürfen“. Denn dann könnte man die Maskenpflicht der Nichtgeimpften in einer belebten Einkaufsstraße gar nicht mehr kontrollieren. „Dort werden weiter alle Masken tragen müssen. Aber Restaurant- und Kinobesuch, Flugreise ohne lästigen Abstrich und Reisen in der EU ohne Quarantänebeschränkungen – das wäre schon möglich“, sagte Montgomery.

    Können Virusmutationen die Hoffnung auf Lockerungen zerstören?

    Mit Blick auf den für den 3. März geplanten nächsten Bund-Länder-Gipfel laufen Vorbereitungen für einen stufenweisen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown auf Hochtouren. Bundeskanzlerin Angela Merkel schlug am Montag im CDU-Präsidium Paketlösungen für drei gesellschaftliche Bereiche in Kombination mit vermehrten Corona-Tests vor, wie es aus Teilnehmerkreisen hieß. Merkel nannte persönliche Kontakte, Schulen und Berufsschulen sowie Sport, Restaurants und Kultur.

    „Öffnungsschritte mit vermehrten Tests müssen klug eingeführt werden“, wurde Kanzlerin Merkel zitiert. Denn die um sich greifenden Mutationen sind dabei, die bisherigen Lockdown-Erfolge zu zerstören. In zahlreichen Bundesländern starteten Schulen dennoch in den Präsenz-Wechselunterricht. Am 1. März dürfen bundesweit die Friseure wieder Haare schneiden.

    Gibt es genug Schnelltests für Lockerungen?

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erweckte diesen Eindruck. Er wollte schon zum 1. März kostenlose Schnelltests für alle. Doch daraus wird vorerst nichts. Kanzlerin Merkel setzte in einer Sitzung des Corona-Kabinetts durch, dass der Start auf den 8. März verschoben werden soll.

    Die Schnelltest-Strategie soll dann an den Stufenplan für Lockerungen gekoppelt werden, der am 3. März beim Gipfel beschlossen werden soll. Nach Angaben der Regierung hat Deutschland sich bislang 800 Millionen Schnelltests reserviert. Selbsttests zur Eigenanwendung sollen bald zugelassen werden.