Berlin. Zum Start des Lockdowns steht Kanzlerin Merkel im Bundestag Rede und Antwort. Drei Fragen, die ihr die Opposition kaum ersparen wird.

Angela Merkel (CDU) muss sich rechtfertigen. Zum Auftakt der letzten Sitzungswoche des Bundestages in diesem Jahr wird die Bundeskanzlerin heute den Abgeordneten eine Stunde lang Rede und Antwort stehen. Zuletzt sah Merkel abgekämpft aus, als sie am Sonntag den Lockdown verkündete, der ab dem heutigen Mittwoch gilt. Corona führt bei der Fragestunde im Parlament Regie: Merkels drei große Fragezeichen.

Nicht nur Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery erwartet, dass der seit Mittwoch geltende harte Corona-Lockdown über den 10. Januar 2021 hinaus verlängert wird. Merkels rechte Hand, ihr Amtschef Helge Braun (CDU), hält eine „umfassende Lockerung“ für „sehr, sehr unwahrscheinlich“.

Corona-Lockdown: Angela Merkels rechte Hand, ihr Amtschef Helge Braun (CDU), hält eine „umfassende Lockerung“ für „sehr, sehr unwahrscheinlich“.
Corona-Lockdown: Angela Merkels rechte Hand, ihr Amtschef Helge Braun (CDU), hält eine „umfassende Lockerung“ für „sehr, sehr unwahrscheinlich“. © dpa | Michael Kappeler

Corona-Lockdown: Planungssicherheit ist ein wunder Punkt

Familien, Schulen, Unternehmen brauchen. Wenn die Autohäuser geschlossen sind, bekommen früher oder später die Hersteller ein Absatzproblem. Einzelhandel und Restaurants müssen wissen, ob sie ihre Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückrufen sollen; und das Tourismusgewerbe, ob es die Winter- und Skisaison endgültig abschreiben muss.

Lesen Sie hier: Schulen und Kitas geschlossen: Was Eltern jetzt tun können

Die Planungssicherheit ist ein wunder Punkt. Erstens bestimmen die Bundesländer den Infektionsschutz. Merkel kann den Kurs beeinflussen, aber nicht vorschreiben. Zweitens drohen sie und die Länderchefs zum Opfer der eigenen Propaganda zu werden.

Kein verlässlicher Exit-Plan aus der Corona-Pandemie

Wenn das erklärte Ziel gilt, den so genannten Inzidenzwert auf unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu drücken, wird klar, dass dies in vielen Regionen nicht zu schaffen ist. In Thüringen liegt er derzeit bei über 250.

Merkel kann den Deutschen keinen verlässlichen Exit-Plan aus der Pandemie geben, zumindest nicht für die nächsten Monate. Zum Jahresende könnten 60 Prozent der Deutschen geimpft sein. Wenn der Plan aufgeht, ist es gut. Wenn nicht, wird Merkel nicht zur Rechenschaft gezogen. Im Herbst 2021 hört sie auf.

Corona-Monitor – Die Zahlen aus Deutschland, Europa und der Welt

Ist ein Strategiewechsel nötig?

Die AfD könnte Merkel fragen, ob zu wenig zum Schutz der besonders gefährdeten Menschen getan wird. Selbstredend eine rein rhetorische Frage. Das Urteil von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland steht fest: „Seit dem Frühjahr versagt die deutsche Regierung bei dem Schutz der besonders durch Covid-19 bedrohten Risikogruppen.“ Berlin etwa bekommt die Lage in den Altenheimen nicht unter Kontrolle.

Für den Virologen Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg ist der Versuch der Gesundheitsämter, die Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen, „vielerorts gescheitert“ sei. Genau darauf baut aber die Strategie von Bund und Ländern auf, nämlich den Inzidenzwert so zu drücken, dass eine Nachverfolgung wieder möglich ist. Wäre es besser, von vornherein alle Anstrengungen auf den Schutz der Risikogruppen zu konzentrieren?

FDP-Chef Christian Lindner warnt zum Start des Lockdowns, „die Notbremse ersetzt nicht eine dauerhaft durchhaltbare Strategie.“ Ganz zu schweigen von den Kosten der bisherigen Strategie. Nach Angaben des Finanzministeriums rechnet der Bund allein im Dezember mit zusätzlichen Kosten von elf Milliarden Euro für Überbrückungshilfen.

Corona-Krise – So ist die Lage auf Deutschlands Intensivstationen

Hat sich die Bundesregierung beim Impfstoff verkalkuliert?

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat ausgerechnet, wie viel Impfstoff seinem Land zunächst zur Verfügung steht. Es reicht zum Start der Impfaktion für 25.000 Menschen. Seit Dienstag sind alle Länder startbereit, Impfzentren wurden hochgezogen und Zehntausende Helfer gewonnen. Nur: Der Stoff fehlt. Und das obwohl der erste Impfstoff in Mainz bei der Firma „Biontech“ entwickelt wurde.

Die AfD könnte Merkel fragen, warum ein in Deutschland entwickelter Impfstoff gegen Covid-19 in anderen Staaten früher als hierzulande verabreicht wird; warum die Bundesregierung auf eine europäische statt auf eine nationale Zulassung gesetzt und warum sie zu wenig bei „Biontech“ bestellt hat. Insgesamt hat Deutschland zwar genug für alle gebucht und sich – zur Risikostreuung – bei mehreren Herstellern Optionen gesichert. Die Impfstoffe aber werden größtenteils erst im dritten und vierten Quartal geliefert.