Berlin. Peinliche Fotos, Lügen und Erpressung. Immer mehr Schüler leiden unter Cybermobbing. Während der Corona-Pandemie steigt die Opferzahl.

Bei der Party waren alle eingeladen, nur ein Mädchen der Klasse hatte noch nicht einmal etwas von dem Fest mitbekommen. Der Grund: Sie wurde nicht in den Klassenchat eingeladen und ihre Anfrage ignoriert. Ein klassischer Fall von Cybermobbing , der in seiner Art immer häufiger unter Schülern und Schülerinnen geschieht.

Schon jeder zweite Lehrer und jede zweite Lehrerin wissen von mindestens einem Fall von Cybermobbing an ihrer Schule. Jeder sechste Schüler zwischen 8 und 21 Jahren ist inzwischen von Cybermobbing betroffen, das entspricht einem Anstieg von 36 Prozent seit 2017. Und bedeutet in absoluten Zahlen, dass zwei Millionen Schüler und Schülerinnen in Deutschland bereits Opfer von Cybermobbing geworden sind.

Aktuelle Studie: Cybermobbing nimmt rasant zu

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die das Bündnis gegen Cybermobbing zusammen mit der Techniker Krankenkasse (TK) vorgestellt hat. Für die Studie „ Cyberlife III – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“ wurden von Februar bis November 2020 mehr als 6000 Eltern, Lehrer und Lehrerinnen und Schülerinnen und Schüler befragt. Nach 2013 und 2017 ist das bereits die dritte Untersuchung zum Cybermobbing.

Die Studie zeige ganz deutlich: „Dass heute gezielter und härter gemobbt wird als noch vor drei Jahren“, sagte Uwe Leest , Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing. Nach den Tatmotiven gefragt, hätten die Schüler vor allem geantwortet: „Weil es die Personen verdient haben“ und „weil ich Ärger mit der Person hatte“, so Leest.

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Cybermobbing: Die Opfer werden immer jünger

Mobbing an Schulen, also das systematische Ausgrenzen von Schülern über einen längeren Zeitraum, hat durch das Internet und durch Smartphones in den vergangenen Jahren eine neue Dimension erreicht. Und nach Aussage der befragten Eltern ist bereits jeder zehnte Grundschüler einmal Opfer von Cybermobbing gewesen. Das heißt, die Opfer werden auch immer jünger.

Vor der Digitalisierung der Kinderzimmer hörten Gemeinheiten beim Verlassen des Schulhofs auf oder spätestens vor der Haustür des Kindes. Heute gibt es kein Ende der psychischen Gewalt mehr. Durch Soziale Medien und Kurznachrichtendienste wie Whatsapp ist Mobbing raum- und zeitunabhängig geworden. 24 Stunden lang kann das Opfer gequält werden. Lesen Sie dazu: Experte bei Dunja Hayali: Mobbing fängt beim Hänseln an

Die Täter stellen unerlaubt und ungefragt Bilder von Klassenkameraden ins Netz, laden die Opfer absichtlich nicht zu Klassenchats ein oder machen sie dort runter oder erpressen sie.

Sechstklässler nehmen an einem Medienkompetenz-Kurs teil. Das Bündnis gegen Cybermobbing fordert, dass die Aufklärungs- und Präventionsarbeit für Lehrer und Schüler bereits in den Grundschulen beginnen müsse.
Sechstklässler nehmen an einem Medienkompetenz-Kurs teil. Das Bündnis gegen Cybermobbing fordert, dass die Aufklärungs- und Präventionsarbeit für Lehrer und Schüler bereits in den Grundschulen beginnen müsse. © dpa | Martin Schutt

Die physischen und psychischen Folgen sind erheblich

Das verletzende Material oder die öffentliche Beleidigung können erhebliche körperliche und psychische Folgen für die Opfer haben. „Dazu gehören zum Beispiel Ängste, Schlafstörungen und Depressionen. Gerade Kinder und Jugendliche sind emotional besonders verletzlich. Lesen Sie mehr: Studie über empfindsame Kinder – die sensible Generation

Nicht selten leiden die Betroffenen noch jahrelang an den Spätfolgen“, sagte Dr. Jens Baas , Vorstandsvorsitzender der TK bei der Präsentation der Studie.

Jeder vierte Betroffene hat schon an Suizid gedacht

Die Opfer fühlen sich mehrheitlich verletzt, mehr als die Hälfte gab an mit Wut auf das Mobben im Netz reagiert zu haben. Jeder Fünfte hat aus Verzweiflung sogar schon zu Alkohol und Tabletten eingenommen. Jeder vierte Betroffene habe laut Studie sogar schon an Selbstmord gedacht.

Im Vergleich zur letzten Studie 2017 entspricht das einem Anstieg von 20 Prozent, beim Alkohol- und Tablettenkonsum sind es 30 Prozent.

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Die Corona-Pandemie verstärkt Cybermobbing

Besonders dramatisch wirke sich die Corona-Pandemie aus, heißt es in der Studie. Denn 17,3 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler gaben in der Cybermobbing-Studie von 2020 an, Cybermobbing-Attacken erlebt zu haben, 2017 waren es nur 12,7 Prozent. Das sind etwa 500.000 Fälle mehr, als bei gleichbleibenden Bedingungen wie 2017 zu erwarten gewesen wäre, so die Autoren der Studie.

„Ein Faktor, der zu diesem enormen Anstieg mit beigetragen haben kann, sind die besonderen Umstände der Covid-19-Pandemie “.

Schulen wurden geschlossen, der Unterricht wurde per Internet oder analog über andere Hilfsmittel erteilt, es gab nur wenig Kontakt zwischen Lehrern und Schülern, viele Eltern waren mit der Situation überfordert, Schüler auf sich allein gestellt. Auch die realen sozialen Kontakte untereinander fehlten und seien noch mehr als schon vor der Pandemie in das Internet verlegt worden, Covid-19 wirke daher „wie ein Verstärkungsfaktor von Cybermobbing“. Lesen Sie auch: Die Jugend soll schuld sein? Schluss mit dem Mobbing!

Berufs-, Haupt- und Realschüler waren am häufigsten betroffen

Unterschiede gab es unter den Schulformen . Weniger waren die Schüler am Gymnasium und an Grundschulen betroffen. Berufsschüler, Haupt- und Realschüler, rund 25 Prozent, berichteten am häufigsten von Cybermobbing-Fällen. Ab einem Alter von 15 und 16 Jahren waren die Mädchen stärker betroffen als die Jungs.

Das Bündnis gegen Cybermobbing gibt folgende Empfehlungen: Eltern müssen sich intensiver mit den Inhalten im Internet und in den Sozialen Medien auseinandersetzen. Und die bisherige Aufklärungs- und Präventionsarbeit für Lehrer und Schüler müsse bereits in den Grundschulen beginnen. Lesen Sie mehr: Was Eltern, Lehrer und Schüler gegen Mobbing tun können

Bündnis fordert ein Cybermobbinggesetz

Aber neben Schule und Gesellschaft müsse auch die Politik Verantwortung übernehmen, das Bündnis fordert daher zum Schutz der Opfer ein „ (Cyber)-Mobbinggesetz , das es in Österreich schon seit 2016 gibt“. Denn: „Täter und Opfer müssen wissen, dass Cybermobbing kein Kavaliersdelikt ist“, sagte Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses.

Cybermobbing: Hilfe für betroffene Kinder und Jugendliche

Auf der Internetseite www.juuuport.de können Kinder und Jugendliche Unterstützung und Rat finden, wenn sie Cybermobbing, Datenklau, Online-Abzocke, Sexting, Ärger in sozialen Medien und Whats­app-Stress erleben. Die Online-Beratung wird von jungen Leuten für junge Menschen betrieben, man kann ihnen direkt auf der Seite oder auf Whatsapp schreiben.