Berlin/Brüssel. Corona-Reise-Chaos: Es fehlt eine gemeinsame Regelung zum Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten. Auch anderes bleibt unklar.

Carola Reimann hat eine einfache Lösung für das Reise-Chaos in diesem Corona-Herbst: Die Deutschen sollten in den Herbstferien einfach nicht wegfahren, sondern die freie Zeit zu Hause verbringen, findet die niedersächsische SPD-Gesundheitsministerin. Ob sie damit den Nerv der Leute trifft?

Millionen Familien freuen sich auf die Herbstferien – an diesem Wochenende beginnen sie in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, der Norden startet bereits in die zweite Ferienwoche. Doch egal, ob Ostsee, Österreich oder Italien – an den meisten Reiseplänen klebt ein dickes Fragezeichen.

Weil es am Zielort hohe Infektionszahlen gibt – oder weil die Urlauber selbst aus einem Hotspot kommen. Dazu kommt die starke Dynamik des Infektionsgeschehens: Am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 2800 Neuinfektionen innerhalb eines Tages.

Reise-Chaos: Was muss man für Reisen im Inland wissen?

In Berlin in den Zug steigen und an die Ostsee fahren? Aus Hamm mal eben für ein paar Tage nach Sylt? Ein Kurztrip von Remscheid aus an die Mecklenburger Seenplatte, ins Allgäu oder den bayrischen Wald? Klingt einfach, ist in diesem Herbst aber kompliziert.

Zwei Fragen sind entscheidend. Erstens: Komme ich aus einem Gebiet, das als Risikogebiet ausgewiesen ist? Zweitens: Muss ich wegen schnell steigender Fallzahlen davon ausgehen, dass mein Wohnort kurz vor Reiseantritt die Risikogrenze überschreitet? Wer eine der beiden Fragen mit Ja beantwortet, musste sich bislang zusätzlich fragen: Welche landeseigenen Regeln gelten bei Reiseantritt an meinem Ferienort?

In einer Videokonferenz der Staatskanzleichefs bemühten sich die Länder am Mittwoch, zusammen mit Kanzleramtschef Helge Braun eine Lösung zu finden – das Ergebnis: Die große Mehrheit der Länder will ein bundesweites Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen. Reisende sollen das Verbot jedoch umgehen können, indem sie ein negatives Testergebnis vorweisen.

Die Runde habe sich auch im Grundsatz darauf geeinigt, Berlin in Zukunft als städtische Einheit zu behandeln – und nicht einzelne Bezirke als Risikogebiete zu behandeln, hieß es am Abend aus der Landesregierung in Schleswig-Holstein.

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Rasant steigende Corona-Zahlen- Berlin beschließt neue Beschränkungen

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    Zunächst hätten sich elf Länder hinter die neue Regelung gestellt. Berlin, Bremen und Thüringen scheren aus – die drei Länder planen keine Beherbergungsverbote. Niedersachsen prüft noch, Mecklenburg-Vorpommern will an seinen strengen Regeln festhalten.

    In Bayern dagegen ist die Lage bereits klar: Urlauber aus innerdeutschen Corona-Hotspots dürfen von diesem Donnerstag an nicht mehr in bayerischen Hotels und Gaststätten übernachten.

    In Schleswig-Holstein will die Landesregierung ihre strengen Quarantäne-Auflagen ab Freitag lockern: Dann reicht es, bei der Ankunft einen maximal 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorzulegen. „Wir halten somit an unserer Regelung fest, dass es besondere Bedingungen für Reisen aus Corona-Hotspots geben muss, um für Sicherheit hier bei uns im Land zu sorgen und das Infektionsgeschehen niedrig zu halten“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).

    Schleswig-Holstein hat derzeit vier Berliner Bezirke und die beiden nordrhein-westfälischen Städte Hamm und Remscheid zu Risikogebieten wegen hoher Corona-Zahlen erklärt. Künftig will das Bundesland Berlin als Ganzes behandeln.

    Kompliziert bleibt es dennoch. Beispiel Bremen: In der Hansestadt stieg die kritische Sieben-Tage-Fallzahl zuletzt schnell und lag am Mittwoch schließlich deutlich über der entscheidenden Grenze von 50 neuen Fällen. Wenn in Bremen am Wochenende die Ferien beginnen, kann es daher sein, dass die Stadt anderswo als Risikogebiet betrachtet wird und Reisende aus Bremen mit Einschränkungen rechnen müssen.

    Möglich ist aber auch, dass die Werte kurzfristig wieder sinken. In Bayern etwa soll der Anreisetag entscheidend sein, hieß es dazu in der Münchner Staatskanzlei. Steht Bremen am Anreisetag auf der roten Liste, greift das Beherbergungsverbot. Heißt: Die täglich aktualisierte RKI-Liste wird zur Pflichtlektüre.

    Es sei „nachvollziehbar, dass Bundesländer mit niedrigen Infektionszahlen versuchen, sich vor dem Import des Virus zu schützen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. „Wir haben sprunghaft ansteigende Zahlen, insbesondere in einigen deutschen Großstädten, auch in der Hauptstadt.“ Fälle seien nicht mehr „einem einzelnen Ausbruchsgeschehen“ zuzuordnen. Das lasse befürchten, „dass es zu einer weiteren diffusen Verbreitung des Virus kommen kann“.

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    Reise-Chaos: Was gilt bei Reisen ins Ausland?

    Auf den ersten Blick ist es einfach: Wer Urlaub in einem Risikogebiet im Ausland machen will, muss unmittelbar nach seiner Rückkehr ein negatives Testergebnis vorweisen oder sich für vierzehn Tage in Quarantäne begeben. Doch das soll sich nun ändern: Reisende, die aus Risikogebieten zurückkehren, müssen sich ab dem 15. Oktober auf schärfere Quarantäneregeln einstellen.

    Die Bundesregierung geht davon aus, dass die neue Musterquarantäneverordnung für Einreisende aus Risikogebieten am 12. Oktober vom Corona-Kabinett auf den Weg gebracht wird. „Die neuen Regelungen können damit voraussichtlich am 15. Oktober bundesweit in Kraft treten“, heißt es dazu.

    Einreisende aus Risikogebieten müssen dann nach der Rückkehr für zehn Tage in Quarantäne. Mit einem negativen Test frühestens am fünften Tag kann die Quarantäne verkürzt werden. Für Urlauber heißt das jetzt: Wer zum Ferienbeginn nach Spanien fliegt, das als Risikogebiet gilt, muss eine Änderung der Quarantäneregeln während seines Urlaubs einkalkulieren.

    Reise-Chaos: Was plant die EU?

    Die steigenden Corona-Infektionszahlen stellen auch den Zusammenhalt der EU auf eine neue Belastungsprobe: Immer mehr nationale Regierungen erklären andere EU-Staaten komplett oder teilweise zu Risikogebieten – mit Reisebeschränkungen und Quarantänevorschriften. Jetzt will die EU gegensteuern: Die Corona-Infektionslage soll mit einem neuen Ampelsystem bewertet werden. Das geht aus einem Beschlussentwurf des EU-Rats hervor, der unserer Redaktion vorliegt.

    Wird ein Land mit Grün eingestuft, soll es europaweit nicht unter Reisebeschränkungen durch andere Mitgliedstaaten fallen. Bei Orange und Rot entscheidet jedes Land weiter über seine Schutzmaßnahmen. Grün würden Regionen, in denen es in den vergangenen zwei Wochen weniger als 25 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner gegeben hat. Bei Orange läge diese Inzidenzrate noch unter 50, bei Rot über 50 Fälle.

    Als weiteres Kriterium soll aber auch die Quote positiver Tests beachtet werden. Den Katalog hat die deutsche Ratspräsidentschaft erarbeitet, seit Wochen kämpfen die Diplomaten um eine Zustimmung der anderen 26 Regierungen. Jetzt ist es so weit: Die Europaminister sollen kommende Woche grünes Licht geben.

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