Berlin. Die Inhalte sind geklärt. Jetzt fehlt noch das Personal, das den Ampel-Koalitionsvertrag in einer neuen Bundesregierung umsetzt. Einige Posten sind schon vergeben. Es gibt aber auch noch offene Fragen.

So ganz genau weiß man noch nicht, wie die neue Regierung aussieht. Eins steht aber schon mal fest: Sie wird größer sein als die alte. SPD, Grüne und FDP haben sich darauf verständigt, ein neues Bauministerium zu gründen.

Damit gibt es künftig 15 statt 14 Fachressorts, die von Bundesministern geleitet werden. Hinzu kommen Bundeskanzler Olaf Scholz und ein Kanzlerminister oder eine Kanzleramtsministerin im Rang eines Bundesministers. Damit gehören dem neuen Kabinett 17 statt wie bisher 16 Politiker an. Acht Posten gehen an die SPD, fünf an die Grünen und vier an die FDP.

Wer sie übernimmt, steht nicht in dem am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag. Das verkünden die Parteien traditionell jeweils im Alleingang. Der FDP-Vorstand preschte bereits am Mittwoch vor und nominierte seine Minister. Die Grünen wollen ihr Team am Donnerstag präsentieren. Bei der SPD könnte es noch etwas länger dauern. Aber auch bei der größten Regierungspartei ist schon einiges klar.

SPD

- Bundeskanzler: Der bisherige Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz wird befördert. Er wird das erste Dreierbündnis seit den 50er Jahren leiten. In der Woche ab dem 6. Dezember soll er im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.

- Kanzleramtschef: Dieser Posten wird in einer Ampelkoalition noch wichtiger sein als bisher. Denn der Kanzleramtschef koordiniert die Regierungsarbeit und das dürfte bei drei Partner komplizierter werden. Es gilt als sicher, dass Scholz' langjähriger Weggefährte und enger Vertraute Wolfgang Schmidt (51) diese zentrale Aufgabe übernimmt. Zuletzt war der Jurist Finanz-Staatssekretär, agierte hinter den Kulissen aber vor allem als "Spin Doctor" und Strippenzieher.

- Innen und Heimat: Dafür wird die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht gehandelt. Innen und Justiz gelten als "Spiegelministerien" mit zahlreichen Überschneidungen. Fachlich wäre die 56-Jährige also schon eingearbeitet.

- Arbeit und Soziales: Da sitzt Hubertus Heil fest im Sattel. Er galt bereits in der vergangenen Wahlperiode als durchsetzungsstark und fleißig - und zwar bei Themen wie Rente, Arbeitsmarkt und Hartz IV, die für die SPD besonders wichtig sind. Der Anhänger eines realpolitischen Kurses hat sich auf die Fahnen geschrieben, dabei Weichen für die Zukunft im Strukturwandel zu stellen.

- Verteidigung: Dieses Ministerium bekommen die Sozialdemokraten überraschend. Bis Mittwoch war spekuliert worden, dass es an die FDP geht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wird großes Interesse an der Führung der Bundeswehr nachgesagt. Der soll allerdings im Dezember zum Parteichef gewählt werden. Beides gleichzeitig ist nicht unmöglich, könnte aber schwierig werden. Als weiterer aussichtsreicher Kandidat ist SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider im Gespräch.

- Gesundheit: Die naheliegendste Besetzung wäre der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der seit Beginn der Corona-Pandemie eine Medienpräsenz hat wie kaum ein anderer Politiker. Lauterbach hat allerdings ein Problem: Beim designierten Kanzler Olaf Scholz ist er nicht besonders beliebt.

- Bauen: Eine mögliche Kandidatin für diesen Posten ist die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze.

- Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Dafür wird die bisherige Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt, Bärbel Kofler, gehandelt. Aber auch die Potsdamerin Klara Geywitz (45) wäre eine Option, die 2019 im Duo mit Scholz für den SPD-Vorsitz kandidierte.

Grüne

- Vizekanzler: Die Grünen stellen den Stellvertreter von Olaf Scholz, weil sie die zweitstärkste Kraft in der Koalition sind. Es gilt als wahrscheinlich, dass nach dem enttäuschenden Wahlergebnis der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr Co-Parteivorsitzender Robert Habeck diesen Posten übernimmt.

- Wirtschaft und Klimaschutz: Habeck gilt auch als gesetzt für die Betreuung des zentralen Themas der Grünen: Klimaschutz. Die Kombination zweier Politikbereiche, die in früheren Regierungen oft gegeneinander agierten, dürfte ihm liegen: Die Überwindung politischer Gegensätze ist so etwas wie das politische Lebensthema des Norddeutschen. Er kann dabei auf Erfahrungen unter anderem aus sechs Jahren als schleswig-holsteinischer Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung zurückgreifen.

- Auswärtiges Amt: Neue Außenministerin dürfte Annalena Baerbock werden. Auch sie wird in diesem Amt einen Schwerpunkt auf Klimaschutz setzen. Neuland ist die internationale Politik für sie nicht: Baerbock studierte unter anderem Völkerrecht und arbeitete für eine Europaabgeordnete.

Daneben bekommen die Grünen noch drei weitere Ministerien:

- Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz - Ernährung und Landwirtschaft

Bei diesen drei Ressorts war die Besetzung am Mittwoch noch unklar. Mögliche Kandidaten sind die derzeitigen Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, die frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke und der ehemalige Parteichef Cem Özdemir, der in Stuttgart mit einem Sensationsergebnis von rund 40 Prozent in den Bundestag gewählt worden ist.

FDP

Die FDP hat ihre Personalien bereits geklärt, der Bundesvorstand hat dazu bereits am Mittwoch einen Vorschlag gemacht.

- Finanzen: Parteichef Christian Lindner übernimmt diese zentrale Position im Kabinett, an der auch Grünen-Chef Habeck Interesse hatte. Lindner hat sich durchgesetzt. Dafür wird er kein Vizekanzler, sondern nur Stellvertreter des Stellvertreters. Wenn Kanzler und Vizekanzler gleichzeitig im Urlaub oder anderweitig verhindert sind, darf Lindner die Kabinettssitzungen leiten.

- Verkehr und Digitales: Das Verkehrsministerium hatten viele eher bei den Grünen gesehen. Nun soll FDP-Generalsekretär Volker Wissing es leiten. Er ist ein erfahrener Ampel-Mann. Er war Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, wo die FDP bereits mit Grünen und SPD regiert.

- Justiz: Dieses Amt soll der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann, übernehmen.

- Bildung und Forschung: Dafür ist die Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger vorgesehen.

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