Washington. Donald Trumps Social-Media-Plattform “Truth Social“ kommt einfach nicht in die Gänge. 1,4 Millionen User stehen auf der Warteliste.

Rund sechs Wochen nach dem Start der von großem Trara begleiteten neuen "Social Media"-Plattform des Ex-Präsidenten Donald Trump, entpuppt sich "Truth Social" nach Einschätzung von US-Medien als digitaler Rohrkrepierer.

Im Vergleich zum Start Ende Februar, als binnen einer Woche knapp 900.000 User die nur auf dem iPhone funktionierende App herunterluden, ist das Interesse nach Angaben von Branchendiensten zuletzt um über 90 Prozent gesunken.

Dass es überhaupt so kam, geht auf Donald Trumps Lügen-Kaskaden zurück, die er seinen zuletzt fast 90 Millionen Twitter-Abonnenten servierte.

Trump: Social-Media-Plattform läuft nicht gut an

Vor allem nach seinem Lamento vom Wahlbetrug 2020 und den Liebesbezeugungen für die gewalttätigen Aufrührer vom 6. Januar 2021, die das Kapitol in Washington stürmten, hatte die großen Netzwerke Twitter und Facebook genug und zogen dem 75-Jährigen den digitalen Stöpsel. Trump beklagte seither täglich, dass es in Amerika keine freie Meinungsäußerung mehr gebe und kündigte ein eigenes Sprachrohr an.

Aber "Truth Social" legte einen Holperstart hin und kommt einfach nicht in die Gänge. Während Twitter täglich um die 200 Millionen Interaktionen seiner Nutzer zählt, waren es bei Trumps neuem Spielzeug zuletzt unter 300.000.

Donald Trump lässt Projekt schleifen

Ein naheliegender Grund: Donald Trump hat bis heute nicht einen einzigen Beitrag von Substanz gepostet. Produktwerbung geht anders. Seit einem bei seinen Fans Euphorie auslösenden "Macht euch bereit! Euer Lieblingspräsident ist bald da!" zum Start am 21. Februar herrscht ex-präsidiale Funkstille in der als Reservat für konservative Meinungen gedachten Echokammer.

Trump stellt den Kontakt zu seiner unverwüstlichen Wählerbasis nach wie vor lieber über Fernsehen (Fox News, Newsmax, OAN etc.) oder E-Mail-Rundbriefe her. Lesen Sie auch: "Unamerikanisch": Mike Pence bricht mit Donald Trump

Trump kritisiert Plattform sogar selbst

Intern, so berichten es Magazine wie "The Daily Beast", soll Trump das von dem ehemaligen republikanischen Kongressabgeordneten Devin Nunes geführte Medienunternehmen hinter "Truth Social" bereits heftig kritisiert haben: "Was verdammt noch mal ist hier los?".

Nicht viel offenkundig. Schon die Technik knarzt. Wer zur Markteinführung die App heruntergeladen hatte und heute sein Passwort ändern möchte, bekommt - keine Antwort. Die Einrichtung eines neuen Kontos endet mit dem Hinweis, dass man auf einer Warteliste gelandet ist ("Wir lieben Dich, Du bist nicht nur eine x-beliebige Nummer für uns"). Auf dieser Liste sind – Stand: 31. März 15.55 Uhr Ostküstenzeit – sage und schreibe 1,44 Millionen Interessenten besser platziert.

Wann dieser Stau abgearbeitet ist? Warum die Leute nach dem Download nicht automatisch die Kommunikationsplattform nutzen können? "Truth Social" reagiert nicht auf Presseanfragen. Lesen Sie auch: Trumps Ex-Vertrauter warnt vor Rückkehr ins Präsidentenamt

Aktien: Trumps Kurs bricht dramatisch ein

All das hat Folgen. Der Aktienkurs des dahinter stehenden Unternehmens DWAC, dass den App-Betreiber TMT Group (Trump Media & Technology) irgendwann huckepack an die Börse bringen soll, war zu Beginn mit fast 3,5 Milliarden Dollar bewertet. Zwischenzeitlich ist der Kurs um fast 30 Prozent eingebrochen.

Medien-Analysten, die sich unter das "Truth Social"-Volk gemischt haben, attestieren der Veranstaltung ein hohes Maß an inhaltsleere Gleichförmigkeit. Man ist dort einfach unter sich.

Provokateure von links, Leute, die Trump (wie in der realen Welt) von Herzen hassen und schon heute gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 Sturm laufen, finden sich hier einfach nicht. Ein gleichgeschaltetes, Trump-höriges Publikum erzeugt aber keine Funken und keinen Konflikt, hatte bereits im Februar der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger prophezeit, sondern bestenfalls Langeweile und Desinteresse.

Ähnliche Portale wie Gab und Gettr, die sich auch ans latente rechtslastige Publikum wenden, schneiden da besser ab.

"Truth Social": Konzept von Twitter abgekupfert?

Dazu kommt: Die Anmutung von "Truth Social" ist die einer Raubkopie von Twitter. Was dort Tweets sind, sind bei Trump "Truths" (deutsch: Wahrheiten…). Wer solche Nachrichten weiterverbreitet, erzeugt "Retruths" statt "Retweets".

In Medienkreisen zirkuliert bereits die Vermutung, dass Trump, der bereits mit Casinos, Steaks, einer Fluglinie und einer Universität ökonomisch vor die Wand gefahren ist, mit dem Projekt nur Investoren abzocken wollte, um Geld zu machen. "Truth Social scheitert", schreibt ein Beobachter auf Twitter, "die Frage ist, wer dabei trotzdem Kasse macht."

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.