Brüssel. Die Sondervollmachten für Viktor Orban in der Corona-Krise lassen alle Alarmglocken schrillen. Die Hälfte der EU-Länder startet einen gemeinsamen Appell - aber die östlichen Staaten fehlen fast alle.

Die EU-Partner erhöhen den Druck auf Ungarn. Deutschland und 13 weitere Länder äußerten sich in einer gemeinsamen Erklärung beunruhigt über Corona-Notmaßnahmen, die gegen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundwerte verstoßen könnten.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Donnerstag, sie sei über die Situation in Ungarn besorgt. Falls nötig, werde die EU-Kommission handeln. EU-Parlamentspräsident David Sassoli forderte offiziell eine Antwort der Brüsseler Behörde.

Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich am Montag vom Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten ausstatten lassen.

Sie könnten ihm ermöglichen, unbefristet auf dem Verordnungsweg zu regieren. Während des Notstands dürfen keine Wahlen und Referenden stattfinden. Die Verbreitung von Falschnachrichten soll streng bestraft werden, so dass Journalisten um kritische Berichterstattung fürchten.

Von der Leyen betonte, alle Maßnahmen der EU-Staaten während der Corona-Krise müssten verhältnismäßig und auf das begrenzt sein, was nötig sei. Zudem sollten sie nicht unbefristet andauern und regelmäßig überprüft werden.

Fast gleichlautend formulierten es die 14 EU-Staaten in ihrer gemeinsamen Erklärung. Es handelt sich fast ausschließlich um westliche Mitgliedsstaaten - die einzige Ausnahme ist der Baltenstaat Lettland. Über der Erklärung stehen neben Deutschland und Lettland die Niederlande, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien und Schweden.

"Wir müssen diese Krise gemeinsam überwinden und auf diesem Weg gemeinsam unsere europäischen Prinzipien und Werte hochhalten", erklärten sie. Der Ministerrat für allgemeine Angelegenheiten solle sich gegebenenfalls damit befassen. Aus diplomatischen Kreisen in Brüssel hieß es, man beobachte die Entwicklung in Ungarn und könne es nicht fassen. Umso wichtiger sei es, die Auszahlung von EU-Mitteln an Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Ohne einen Rechtsstaatsmechanismus werde es keine Einigung auf einen neuen EU-Haushaltsrahmen geben.

Die Regierung in Budapest ließ die Kritik abperlen. Ungarn stimme mit der Erklärung der EU-Länder völlig überein, sagte die ungarische Justizministerin Judit Varga der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Das gelte insbesondere für die Feststellung, dass "in dieser an Herausforderungen reichen Zeit die Werte der Freiheit, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte hochzuhalten und zu schützen sind". Man bedaure, "dass es nicht allen Mitgliedsstaaten offen stand, sich der Erklärung anzuschließen."

Allerdings wächst der Druck auf Orban auch innerhalb der christdemokratischen Europäischen Volkspartei. Orbans Fidesz-Partei gehört offiziell noch zur EVP, obwohl die Mitgliedschaft ausgesetzt ist. 13 Vorsitzende von EVP-Mitgliedsparteien beantragten am Donnerstag den Ausschluss von Fidesz. CDU und CSU, die als große Mitglieder in der EVP erheblichen Einfluss haben, waren nicht dabei.