Berlin. Liefert Russland bald gar kein Erdgas mehr? EVP-Chef Manfred Weber appelliert an die Bundesregierung, Härte zu zeigen gegenüber Putin.

Kommt es zum Totalausfall der russischen Gaslieferungen? EVP-Chef Manfred Weber appelliert an die Bundesregierung, Härte zu zeigen gegenüber dem russischen Machthaber Wladimir Putin.

Die Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 endet an diesem Donnerstag. Was passiert danach?

Manfred Weber: Wir werden sehen, was tatsächlich an Gas ankommt. Was danach mittel- und langfristig passiert, wird davon abhängen, wovon sich Putin den größten Vorteil verspricht. Es ist auch ein kompletter Gasstopp möglich. Deshalb müssen wir uns auf alle denkbaren Fälle vorbereiten. Und das bedeutet, dass alle Möglichkeiten, wie Bundesregierung und EU eine sichere Energie- und Stromversorgung vor allem für den Winter sicherstellen können, genutzt werden müssen. Alles andere wäre ein sehr riskanter Weg. Deutschland und die EU müssen bei der Energieversorgung so schnell wie möglich von Russland unabhängig werden.

Es wird noch einige Zeit vergehen, bis dieses Ziel erreicht ist. Läuft es darauf hinaus, die Sanktionen gegen Russland zu lockern – und Nord Stream 2 doch noch in Betrieb zu nehmen?

Weber: Das wäre ein großer Fehler. Von Putin vor sich hergetrieben zu werden, dieses gefährliche Spiel darf die Ampel nicht mit sich machen lassen. Eine Lockerung der Sanktionen ist nicht denkbar, bevor Putin-Russland seine völkerrechtswidrigen Annexionen und Besetzungen in der Ukraine aufgibt und ein Friedensvertrag in diesem Sinne gilt. Es darf nicht dazu kommen, dass der Ukraine irgendein Friedensvertrag aufgedrängt wird. Die Bundesregierung muss nicht nur mit Worten stark sein, sondern auch in ihren Taten.

Welche neuen Energiequellen sollte sich Deutschland erschließen?

Weber: Dass manche in der Ampel bestimmte Energieträger wie die vorübergehende Weiternutzung der noch laufenden Kernkraftwerke ausschließen, ist mindestens fahrlässig. Wenn die Situation dramatisch würde, müssen alle Optionen auf den Tisch. Deutschland ist mit am meisten vom russischen Gas abhängig.

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Es mangelt an Gas, nicht an Strom. Warum sollten also die Atomlaufzeiten verlängert werden?

Weber: Es wäre unseren europäischen Nachbarn kaum vermittelbar, dass wir in einer Notlage Solidarität einfordern, aber die Kernkraft nicht weiternutzen. Minister Habeck tritt zwar entschlossen auf, aber er muss jetzt auch liefern. Andere EU-Länder sind bereits deutlich weiter als Deutschland. Mir fehlt von Habeck auch ein ernsthafter europäischer Ansatz. Wenn er wirklich langfristig denkt, dann muss er bei der Energieunion und Energiesolidarität vorankommen, etwa um als EU gemeinsam auf dem Weltmarkt Energie zu kaufen. Es ist ja absurd, dass alle Energieminister einzeln an den Persischen Golf reisen.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.

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