Berlin. Ukraine trägt den Krieg nach Russland hinein, stets für eine böse Überraschung gut. Ihre Militärs verblüffen mit Improvisationstalent.

Vor bösen Überraschungen ist selbst ein Wladimir Putin nicht gefeit. Gerade berief der Kremlchef den Sicherheitsrat Russlands ein. Mit zwei Angriffen auf Flugplätzen war die ukrainische Luftwaffe zuletzt tief in Feindesgebiet vorgedrungen. Für den Coup baute sie eine museumsreife Aufklärungsdrohne um – einmal mehr ein Beweis dafür, wie einfallsreich ihre Militärs oft vorgehen. Ihr Improvisationstalent nötigt Experten wie Claudia Major von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik Respekt ab: "Beeindruckend".

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Beim Doppelschlag kam es weniger auf den Schaden an, umso mehr auf die "Show of Force" an: Um die russische Flugabwehr zu blamieren und den Aktionsradius der ukrainischen Spezialkräfte zu demonstrieren. Der psychologische Effekt dürfte größer als der militärische Nutzen sein. Es war schon die dritte Überraschung dieser Art im Ukraine-Krieg – nach der Zerstörung des Kreuzers "Moskwa" und den Explosionen auf der Brücke zur Krim. Das Narrativ der Ukraine: Wir mögen die Schwächeren sein, aber wir sind schlauer.

Ukraine-Krieg: Mit museumsreifen Waffen Putin überrumpeln

In Kiew äußerte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht zu den Angriffen auf die Luftwaffenbasen Engels-2 in der Provinz Saratow und Djagiljewo in der Provinz Rjasan, hunderte Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt; was Putin arg irritieren dürfte. In Moskau sprach das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von einer sowjetischen Drohne mit Düsentriebwerk. Viele Experten vermuten, dass dafür die 50 Jahre alte Tu-141-Drohne umfunktioniert wurde. Im März war in Kroatien eine solche Aufklärungsdrohne abgestürzt. Die Untersuchung ergab damals erwartungsgemäß, dass sie sich verirrt habe. Etwas anderes elektrisierte die Experten: Die Ukrainer hatten einen Sprengsatz eingebaut.

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Nichts wird schnell verschrottet oder etwa im Museum abgestellt. Die Altgeräte sind noch gut genug für einen allerletzten Einsatz, diesmal als Kamikaze-Drohnen. Auch große Teile der militärischen Waffenhilfe ist alt. Nicht zufällig wurde ein (Panzer)Museumsleiter als Ukraine-Erklärer zum Youtube-Star.

Ukraine-Krieg: Selbst Moskau nicht mehr sicher

Mal bauten die Ukrainer Hobbydrohnen für militärische Zwecke, mal Anti-Schiffsraketen für den Landkrieg um, mal passten sie modernste Waffensysteme für die altbetagte MiG-29 Kampfjets an. Bei ihrer Rüstung gehen sie oft unorthodox und nicht nach dem Lehrbuch vor, weil sie das Können und die Expertise haben. Nun zahlt sich aus, dass die Ukraine die Waffenschmiede der Sowjetunion war; dass einstige Produktions- und Forschungsstätten erhalten blieben. Zur Wahrheit gehört, dass auch die Russen bisweilen unkonventionell vorgehen – Berichten zufolge setzten sie zuletzt offenbar Atomraketen ohne Sprengköpfe ein.

Was zum Beispiel russische Militärblogger fassungslos macht, ist, dass die Ukrainer den Krieg in Russland hineintragen, dort weit im Hinterland zuschlagen: Wer den Militärplatz Engels-2 angreift kann auch Moskau ins Visier nehmen. Schon deswegen hatte Putin alle Grund, seinen Sicherheitsrat einzuberufen. Im Kreml dürfte die Nervosität steigen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.