Berlin. Menschen helfen Geflüchteten aus der Ukraine europaweit mit einer ungeahnten Kraft. Diesmal kann das halten.

Ein Freund ruft einen anderen Freund an. „Du hast doch diese alte Bundeswehr-Feldküche, oder?“ Ein paar Stunden später steht ein Kleinbus voll mit Kartoffeln, Linsen, Nudeln und der Feldküche abfahrbereit auf einem deutschen Parkplatz. Das Ziel: die polnische Grenze zur Ukraine.

Es ist eine Szene, die man dieser Tage oft beobachten kann. Menschen wollen den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine helfen. Viele bringen die Geflüchteten sogar privat in ihren Wohnungen unter. Es ist eine Welle der Solidarität. In der Angst vor diesem großen Krieg hilft das oft sogar auch den Helfern: Wer was tut, schaut nicht nur ohnmächtig auf die schrecklichen Nachrichten.

Flüchtlinge aus der Ukraine: Euphorie gab es in Deutschland schon mal

Funke Medien Gruppe / Mitarbeiter: Christian Unger
Funke Medien Gruppe / Mitarbeiter: Christian Unger © Reto Klar | Reto Klar

Aber, Moment mal? Euphorie und Solidarität mit Geflüchteten – gab es schon mal in Deutschland. 2015. Da flohen Hunderttausende vor allem vor dem Krieg in Syrien über die Balkanroute gen Westen. Doch die berühmten Ankunfts-Teddybären am Münchner Bahnhof waren schnell einer Ernüchterung gewichen. Es wuchs Gleichgültigkeit, Frust. Und es wuchsen auch Hass und Hetze gegen Flüchtlinge, die gezielt von extremen Rechten gesteuert und verstärkt wurden. Es blieb das Zerrbild des Kontrollverlusts.

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Wird es jetzt anders sein? Vieles spricht dafür. Die Hauptlast der Versorgung der Kriegsflüchtlinge trägt Polen. Ausgerechnet. Ein Land, das sich wie kaum ein anderes gegen die Aufnahme von Schutzsuchenende aus dem Nahen Osten gesperrt hat. Allein mehr als 500.000 Menschen aus der Ukraine sollen schon dort sein. Viele kommen privat unter, viele kennen das Land, weil sie dort bereits gearbeitet oder studiert haben.

Polen leistet gerade Großartiges

Es gibt eine Verbundenheit in Europa mit den Menschen aus der Ukraine. Nicht nur in Deutschland, sondern eben auch in den sonst ignoranten osteuropäischen Regierungen. Polen leitest gerade Großartiges.

Der Krieg in Syrien ist schlimm, ein brutales Verbrechen der Truppen von Baschar al-Assad, von Terroristen und Großmächten wie Russland. Und doch blieb der Konflikt vielen in Europa fern. Das ist bei der Ukraine anders. Es ist ein Krieg vor unserer Haustür. Das verpflichtet.

Klar ist aber auch: Es darf in der Europäischen Union keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse geben. Ukrainer dürfen nicht anders behandelt werden als Afghanen oder Syrer. Solidarität darf nicht nach Hautfarbe trennen.

Eine Grundlage für nachhaltige Solidarität: Fehler aus dem Jahr 2015 dürfen nicht wiederholt werden. Zum einen brauchen wir Klarheit, wer kommt. Bisher schlafen viele Ukrainer bei Verwandten in Polen oder Deutschland. Nur wenige sind registriert. Diese private Flüchtlingshilfe darf nicht dazu führen, dass der Staat blind bleibt. Registrierung muss sein, der Austausch zwischen den Bundesländern, zwischen Polizei, Ausländerbehörde und Bundesamt muss funktionieren.

EU ist auch bei Asylpolitik fähig

Vieles wurde seit 2015 verbessert: Die digitale Erfassung von Geflüchteten, die Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Unterbringung. Doch zur Bilanz gehört auch: Vieles läuft noch immer nicht reibungslos. Vor allem der Flickenteppich des Föderalismus gefährdet noch immer politische Erfolge.

Dennoch: Dass sich die EU-Innenminister nun auf eine schnelle und unbürokratische Hilfe per EU-Richtlinie für die Kriegsflüchtlinge geeinigt haben, ist historisch. Das ist eine Chance. Denn es zeigt auch bisherigen Aufnahmeverweigerern wie Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, zu was eine geschlossene Europäische Union auch bei der Asylpolitik fähig ist.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

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