Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will sich von der Bundesversammlung für eine zweite Amtszeit wählen lassen. Das dürfte klappen.

Überraschungen dürfte es für Frank-Walter Steinmeier am Sonntag eher nicht geben. Die Bundesversammlung wird an diesem Tag in Berlin zusammentreten, um ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. Und schon jetzt gibt es keine Zweifel daran, dass sich die übergroße Mehrheit der Wahlleute für eine zweite Amtszeit des 66-jährigen Staatsoberhaupts aussprechen wird.

Die Ampel-Partner - also Steinmeiers eigene Partei, die SPD, sowie Grüne und FDP - hatten bereits vor längerem ihre Unterstützung zugesagt. Nach einigem Zögern folgten Anfang Januar auch CDU und CSU, die oppositionellen Unionsparteien im Bundestag. Alle zusammen vereinen mehr als 1200 Wahlfrauen und -männer auf sich.

Auch interessant: Geschönte Niederlage: CDU unterstützt Steinmeier

Damit zeichnet sich ab, dass das bisherige Staatsoberhaupt auch das zukünftige sein wird. Doch wie hat sich Steinmeier in den vergangenen fünf Jahren als Hausherr von Schloss Bellevue geschlagen? In seiner bisherigen Amtszeit hat der Westfale mehrfach gezeigt, was er kann - aber auch, wo seine Schwächen liegen. Ein Überblick:

Steinmeier war auf vielen Führungsposten – ein politischer Kopf

Steinmeier hatte in seiner Laufbahn etliche hochrangige Posten inne und kennt den politischen Betrieb daher besser als viele seiner Vorgänger im höchsten Staatsamt. Er war Deutschlands Chefdiplomat, Vize-Kanzler, SPD-Kanzlerkandidat, Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer.

Er hat Regierungen gebildet und Wahlen verloren. Er ist damit ein durch und durch politischer Mensch, der aus eigener Anschauung um die Möglichkeiten und Grenzen des Regierens weiß. Das ist ein großer Vorteil.

Vom Auswärtigen Amt nach Bellevue – der internationale Blick

Zwei Mal war Steinmeier Bundesaußenminister in einer Großen Koalition, insgesamt acht Jahre lang. Diese internationale Erfahrung prägt auch das Verständnis seiner Amtsführung als Staatsoberhaupt. Er kennt die globalen Krisen der Gegenwart und die Verantwortung, die hieraus für das Industrieland Deutschland erwachsen.

Das prägte auch viele seiner Auslandsreisen, die bis zum Beginn der Corona-Pandemie noch leichter möglich waren. In Jordanien etwa besuchte er ein Lager mit Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland Syrien, auf den Galapagos-Insel machte er sich ein Bild von den Folgen von Umweltproblemen und des weltweiten Klimawandels.

Bundespräsident Steinmeier trifft den richtiger Ton

Zu den Aufgaben eines Bundespräsident gehört es, in schwierigen Situationen die angemessenen Worte zu finden. Das gelingt Steinmeier immer wieder. Den Opfern der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Sommer sagte er zu: „Sie sollen wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Sie Ihr Land nicht allein.“

Nach dem nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau im Jahr 2020 warb er dafür, die „bösen Geister in unserer Mitte“ nicht zu übersehen, aber „an den besseren Geist unseres Landes“ zu glauben. Und in seiner letzten Weihnachtsansprache, mitten in der Pandemie, mahnte er zur Einheit:

Das Staatsoberhaupt findet die richtigen Worte

„In der Demokratie müssen wir nicht alle einer Meinung sein. Aber bitte denken wir daran: Wir sind ein Land! Wir müssen uns auch nach der Pandemie noch in die Augen schauen können.» Auch schwierige Auftritte im Ausland meistert Steinmeier mit Einfühlungsvermögen.

„Mit unsagbarer Trauer und Scham gedenke ich der mehr als 33.000 jüdischen Kinder, Greise, Frauen und Männer, die vor 80 Jahren innerhalb von zwei Tagen in Babyn Jar erschossen wurden“, sagte er zum Jahrestag des Massakers, das Nazi-Truppen nahe Kiew in der Ukraine verübten.

Steinmeiers Art ist freundlich, aber seine Reden nicht packend

Steinmeier geht offen auf Menschen zu. Mit seiner freundlichen Art gelingt es ihm in der direkten Begegnung mit Bürgerinnen und Bürger, eine lockere Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Auch offiziellen Gästen gibt er das Gefühl, unkompliziert mit ihm ins Gespräch kommen zu können.

Auch interessant: Steinmeier und seine Konkurrenten

Anders als sein direkter Amtsvorgänger Joachim Gauck, der wortgewaltige einstige DDR-Bürgerrechtler, hält Steinmeier keine aufwühlenden, mitreißenden Reden. Während Gauck das Herz der Menschen erreichte und bisweilen sogar selbst mit den Emotionen rang, bleibt Steinmeier im Vortrag meist kühl und nüchtern. Nicht wenige empfinden seine Art, Reden zuhalten, sogar als langweilig und eintönig.

Steinmeier hat noch kein ureigenes Thema für seine Präsidentschaft gefunden

Im Gegensatz zu mehreren seiner Vorgänger ist es Steinmeier in seiner bisherigen Amtszeit nicht gelungen, sichtbar ein zentrales, übergreifendes Thema zu setzen. Ein wahrnehmbar wiederkehrendes Motiv wie etwa das der Freiheit bei Gauck lässt sich bei Steinmeier nicht erkennen.

Auch gibt es von ihm nicht diesen einen prägnanten Satz wie „Der Islam gehört zu Deutschland“, den Christian Wulff im Jahr 2010 sprach und der in der öffentlichen Debatte lange nachhallte. Es gab auch nicht diese eine Rede, die in der Wahrnehmung jener „Ruckrede“ von Roman Herzog aus dem Jahr 1997 gleichkommen würde.

Steinmeiers Amtsvorgänger Gauck, Wulff und Herzog bleiben mit Themen verbunden

Steinmeier hatte zwar 2017 im Gespräch mit unserer Redaktion betont, dass er sich in Anbetracht von Hass im Netz und einer Verrohung der Debatten für eine Stärkung der demokratischen Diskussionskultur einsetzen wolle.

Nur: Nach zwei Jahren Pandemie ist der Ton in vielen Auseinandersetzungen noch viel heftiger geworden. Zugleich bemühen sich inzwischen viele politische Akteure, der gestiegenen Aggression etwas entgegenzusetzen. Es ist kein Alleinstellungsmerkmal von Steinmeier.

Ein Manko Steinmeiers: Er ist keine Frau

Gewiss, man kann Steinmeier schwerlich vorhalten, dass er keine Frau ist. Und doch hat er durch seine erneute Kandidatur dafür gesorgt, dass ins Schloss Bellevue nach Stand der Dinge erneut ein Mann einzieht. Zudem einer im Rentenalter. Steinmeier hat der SPD damit die Chance genommen, erstmals eine Frau für das oberste Staatsamt zu nominieren. Er selbst hätte dafür zurückstehen müssen.

Fußball ist eine Schwäche des Staatsoberhaupts - Kein Borussia, dafür Schalke

Steinmeier hat eine Schwäche für Fußball. 2010 gestand der der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Alternative hieß bei uns Borussia Dortmund oder Schalke 04. Bei mir war das von vornherein Schalke.“ Seine musikalische Schwäche: die „Rolling Stones“.