Berlin. Bei einem Gasnotstand entscheidet die Bundesnetzagentur über die Verteilung. Doch darauf ist die Behörde bisher nicht vorbereitet.

Im Falle einer Notlage bei der Gasversorgung soll der Krisenstab der Bundesnetzagentur im Schichtdienst rund um die Uhr darüber entscheiden, welche Verbraucher noch mit Gas versorgt werden. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Linken im Bundestag mit, die unserer Zeitung vorliegt. "Im Notfall wäre für die Einzelfallentscheidungen ausschließlich der Krisenstab der Bundesnetzagentur verantwortlich", heißt es in dem Schreiben.

"Im 24/7-Betrieb können Schichten zu je 12 bis 15 Personen für die Entscheidungen sorgen." Die Krisenstabsmitglieder werden demnach "aktuell kontinuierlich" auf ihre Rollen vorbereitet.

Allerdings bestehen bisher noch nicht die Voraussetzungen dafür, in einer akuten Krisensituation Fall für Fall über die Gasverteilung zu entscheiden, wie das Ministerium erklärt. "Einzelfallentscheidungen würden nur im großen Umfang getroffen werden können, sobald die im Aufbau befindliche IT-Infrastruktur, Metriken, Datenerhebung und Kommunikationsprozesse fertiggestellt sind", heißt es auf die Anfrage der Linken. "An dem Aufbau und der Fertigstellung arbeiten aktuell knapp 30 Personen."

Gaskrise: Habeck bereitet Privathaushalte bereits auf Einschnitte vor

Die Lieferung russischen Gases nach Deutschland ist aufgrund einer Wartung der Ostseepipeline Nord Stream 1 aktuell eingestellt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte zuletzt mehrfach die Sorge, dass Russland die Lieferung nach dem für Ende der kommenden Woche erwarteten Abschluss der Arbeiten nicht wieder aufnimmt. Habeck bereitete deswegen die Bevölkerung bereits darauf vor, dass neben Unternehmen auch Privathaushalte ihren Anteil zu leisten hätten, wenn Gas eingespart werden müsse.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). © dpa | Michael Kappeler

Der Notfallplan Gas der Bundesregierung sieht vor, dass beim Eintreten der dritten und letzten Notfallstufe die Bundesnetzagentur über die Verteilung von Gas entscheidet. "Alle Entscheidungen während der Mangellage sind Einzelfall-Entscheidungen, weil die tatsächlich bestehende Lage eine individuelle sein wird", heißt es dazu auf der Internetseite der Bundesnetzagentur. "Daher bereitet die Bundesnetzagentur keine abstrakten Abschalte-Reihenfolgen vor."

Die Linke befürchtet "Chaos" im Ernstfall

Die Linke sieht die Behörde für diese Aufgabe nicht vorbereitet. "Wir hoffen alle, dass der Notfallplan Gas nicht umgesetzt werden muss, auch weil die Bundesnetzagentur gerade noch gar nicht in der Lage ist, Entscheidungen darüber zu treffen, wer noch Gas bekommen soll und wer nicht", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion, Jan Korte, unserer Redaktion. Korte forderte eine Diskussion zu den Prioritäten bei der Verteilung solange Einzelfallentscheidungen nicht umsetzbar seien. "Das muss jetzt geschehen, sonst stürzt die Bundesregierung das Land unvorbereitet ins Chaos."

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de