Berlin. Für viele Menschen wird das Heizen zur finanziellen Belastung. Kann die geplante Gaspreisbremse der Bundesregierung schneller kommen?

Viele Gaskundinnen und -kunden haben in diesen Tagen einen neuen Ehrgeiz entwickelt: Die Heizung soll solange wie möglich ausbleiben. Denn Gas ist knapp – und die Angst vor der nächsten Abrechnung in vielen Haushalten schon jetzt groß.

Um Privatleuten unter die Arme zu greifen angesichts von drastisch gestiegenen Gaspreisen, setzt die Bundesregierung auf eine Gaspreisbremse, entworfen als zweistufiges Modell von einer Kommission aus Expertinnen und Experten: Erst soll Gaskunden im Dezember der Abschlag für diesen Monat erlassen werden. Danach soll ein Grundkontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs verbilligt für 12 Cent pro Kilowattstunde zur Verfügung stehen – allerdings erst ab März des nächsten Jahres.

Doch angesichts der hohen Belastung für Verbraucherinnen und Verbrauchern durch die Inflation wächst der Druck auf die Bundesregierung, schon deutlich vorher einzugreifen – und die bisher für März geplante Verbilligung pro Kilowattstunde auf den Anfang des Jahres vorzuziehen.

Gaspreis: Bundesländer fordern Entlastungen zum Jahresbeginn

Unter anderem die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten hatten sich vor dem Wochenende mit Nachdruck dafür ausgesprochen, die Rechnungen privater Gaskunden schon zum Jahresbeginn zu senken. Die zweimonatige Lücke zwischen den Entlastungen im Dezember und im März „dürfte außerordentlich schwer zu kommunizieren sein“, sagte etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Übersetzt: Wenn ausgerechnet mitten im Winter die Gaspreise voll durchschlagen würden, hätten Bürgerinnen und Bürger wohl wenig Verständnis. Die Opposition macht zusätzlich Druck: „Eine Winter-Brücke, die erst im März kommt, macht offenkundig keinen Sinn“, sagte Jens Spahn, Vize-Chef der Unionsfraktion, am Montag.

Und auch der Bundeskanzler selbst ließ am Wochenende Sympathien für einen früheren Start erkennen – man wolle das ausloten, sagte Olaf Scholz (SPD).

Das bringt die geplante Übernahme der Dezember-Abschlagszahlung

Doch ob die komplizierte Operation zur Senkung der Gaspreise für die Verbraucher sich um acht Wochen vorziehen lässt, ist fraglich. Zweifel äußert unter anderem Michael Vassiliadis, Chef der Chemie-Gewerkschaft IG BCE. Vassiliadis, der selbst Teil der Gas-Kommission ist, erklärte am Montag, das Gremium sei nicht ohne Grund auf dem 1. März als Startdatum gelandet.

Die mit der Umsetzung beauftragten Versorger brauchten unterschiedlich lange, um die Gaspreisbremse auf den Weg zu bringen, sagte Vassiliadis im Deutschlandfunk. „Was uns geleitet hat, ist, dass alle Kunden gleichzeitig in die Gaspreisbremse gehen.“

Zur Überbrückung von Januar und Februar verwies er auf die Abschlagszahlung für Dezember, die der Staat nach den Vorschlägen der Kommission übernehmen soll. Das sei finanziell „noch etwas mehr“, als eine schon ab 1. Dezember greifende Gaspreisbremse ergeben hätte.

Versorger halten nichts von vorgezogener Gaspreisbremse

Deutlicher noch wurden die Versorger selbst: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erteilte der Idee einer vorgezogenen Bremse am Montag eine klare Absage. Die Gaspreisbremse auf den 01. Januar vorzuziehen, scheitere nicht am fehlenden Willen der Branche, sagte BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff, sondern an der „Unmöglichkeit der technisch-administrativen Umsetzung in so kurzer Frist“.

Die Umstellung der IT-Prozesse sei so komplex, dass ein großer Teil der Versorger das in so kurzer Zeit nicht stemmen könne. „Genau deshalb wurde die Einmalzahlung für Dezember entwickelt.“

Statt das verbilligte Grundkontingent vorzuziehen, hat der Verband deshalb einen anderen Vorschlag: Den Abschlag, den der Staat im Dezember dieses Jahres übernimmt, könnte er ja auch im Januar noch einmal übernehmen.

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Ähnlich sieht das der Verband kommunaler Unternehmen (VKU): Grundsätzlich gelte, je komplexer das Konzept zur Preisbremse, desto aufwändiger dessen Umsetzung, sagte VKU-Chef Ingbert Liebing. „Die zweite Stufe der Gaspreisbremse ist nicht auf Knopfdruck umsetzbar.“

Vermieter: Schon aktueller Zeitplan bedeutet Herausforderungen

Und auch aufseiten der Vermieterinnen und Vermieter, die in vielen Fällen für die Abrechnung des Gasverbrauchs zuständig sind, glaubt man nicht, dass sich der Zeitplan noch weiter beschleunigen lässt. Große Konzerne mit professioneller Abrechnungssoftware, heißt es in der Branche, könnten eine vorgezogene Umsetzung möglicherweise leisten. Gerade private Vermieter mit wenigen Wohnungen stelle aber schon der jetzige Zeitplan vor Herausforderungen.

Grünen-Chef Omid Nouripour räumte am Montag ein, dass es nicht sein könne, „dass erst im März eine Entlastung kommt in diesem Bereich“. Die Ausgestaltung der Zahlung im Dezember könne helfen, dass Menschen über den Januar und Februar kommen würden, sagte er. „Wir brauchen eine Brücke und an der wird gearbeitet.“

Wie genau die Gaspreisbremse umgesetzt werden soll, das berät derzeit eine Arbeitsgruppe von Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und Finanzministerium.

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Regierungssprecher Steffen Hebestreit dämpfte am Montag Hoffnungen, dass die Bremse schon vor März angezogen werden könnte. Der Wunsch nach einer Umsetzung der zweiten Stufe im Januar stehe „ein bisschen der Realität entgegen“, sagte Hebestreit und verwies auf die Mahnungen der Versorgungsunternehmen.

An anderer Stelle allerdings will die Bundesregierung schneller sein. „Die Entlastung beim Strompreis muss in jedem Fall spätestens im Januar einsetzen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck dem „Handelsblatt“. „Darauf zielen wir.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.