London/Birmingham. Die britische Premierministerin Liz Truss ist schwer angeschlagen. Sie ist unbeliebter als Boris Johnson zu seinen schlimmsten Zeiten.

Ihrem Auftritt an der Tory-Parteikonferenz hat Liz Truss wohl mit einiger Nervosität entgegengeblickt. Normalerweise sind solche Reden für frischgebackene Premierminister Momente des Triumphs – aber nicht in diesem Fall. Bereits machen Spekulationen die Runde, wie lange sich die neue Regierungschefin noch halten kann.

Ihre Wirtschaftspolitik stößt viele Parteikollegen vor den Kopf, die Disziplin im Kabinett ist labil, und mit mehreren Kehrtwenden hat sie einen Eindruck von Inkompetenz hinterlassen. Eine neue Umfrage zeigt, dass Truss bereits jetzt unbeliebter ist als Boris Johnson zu seinen schlechtesten Zeiten. „Get a grip!“ titelte das Tory-freundliche Blatt Daily Mail am Dienstag: Krieg dich wieder ein.

Großbritannien: Trus will Wachstum, Wachstum, Wachstum

Am Mittwoch wollte sie den Parteigängern und ihrer Unterhaus-Fraktion demonstrieren, dass sie das Zeug hat, das Ruder doch noch rumzureißen. Das mag ihr knapp gelungen sein, zumindest war der Auftritt nicht das Desaster, das ihre Anhänger befürchtet hatten.

Truss‘ Rede dauerte eine bloße halbe Stunde, und sie beschränkte sie sich auf weitgehend unstrittige Floskeln. „Wir werden dieses Land in Bewegung setzen“, sagte sie etwa. Sie bekräftigte ihren Plan, die Steuern zu senken, um das Wachstum anzukurbeln. Überhaupt: „Meine drei Prioritäten sind Wachstum, Wachstum und Wachstum“, sagte sie.

Nach den Steuerplänen ging das Pfund auf Talfahrt

Darüber hinaus zeigte sie einen Hauch von Reue, als sie die abgeblasene Steuersenkung für Reiche ansprach. Dieser Plan war es, der die Revolte in den eigenen Reihen ausgelöst hatte: Truss und ihr Schatzkanzler hatten die Steuersenkung als Teil eines Wachstumspaket verkauft, aber die Empörung bei vielen Tories war groß, nicht zuletzt weil die Märkte rebellierten und das Pfund absackte. Am Montag ließ Truss den Plan fallen.

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Aber die Kritik ist dadurch nicht verstummt: Die Regierung plant zudem rund 18 Milliarden Pfund an Abstrichen bei den öffentlichen Ausgaben, und sie hat durchblicken lassen, dass die Sozialleistungen nicht mit der Inflation heraufgesetzt werden würden.

Truss wettert gegen die „Anti-Wachstums-Koalition“

Selbst in ihrem Kabinett verursacht dies Unmut. In einem Bruch mit der Kabinettsdisziplin sagte Ministerin Penny Mordaunt öffentlich, dass sie eine Kürzung der Sozialleistungen nicht unterstützen würde.

Aber Truss scheint nicht vorzuhaben, an ihrer politischen Stoßrichtung irgendetwas zu ändern. Sie demonstrierte Tatendrang und wetterte gegen eine angebliche „Anti-Wachstums-Koalition“, die ihre Pläne durchkreuzen wolle – dazu gehören die Labour-Partei, Umweltkampagnen, Gewerkschaften, Brexit-Gegner. Wer von der Premierministerin einen versöhnlicheren Ton erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.