Dresden. Die Partei am rechten Rand holt in Sachsen das beste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit der Gründung. Die CDU verteidigt Platz eins.

Der Saal A600 im sächsischen Landtag gehört der CDU. Eigentlich. An der Wand hängt ein Kruzifix, der Fußboden ist aus hellem Holz. Die Fraktion der Christdemokraten hält hier ihre Sitzungen ab. Jetzt aber feiert hier die AfD.

Um kurz nach 18 Uhr reißt Jörg Meuthen die rechte Faust in die Luft. Er ist AfD-Chef. Neben ihm klatscht Jörg Urban in die Hände, er ist Spitzenkandidat in Sachsen. Um die Politiker stehen weitere Anhänger und Mitglieder der AfD. Es ist nicht voll im Fraktionssaal der sächsischen CDU. Aber es ist jetzt laut. Über den Kameras der Fernsehteams flackern die Prognosen der Landtagswahl über den großen Bildschirm. Der blaue Balken der AfD geht weit nach oben. Es sieht nach einem Rekord aus.

Kretschmer bleibt mit der CDU stärkste Kraft

Die CDU hat für diesen Abend das Restaurant im Landtag gemietet, ein paar Etagen tiefer. Deshalb hat die sächsische Verwaltung der AfD den Raum der CDU-Fraktion überlassen. Parteichef Meuthen läuft zum Mikrofon. „Es ist mir eine große Ehre, den Wahlsieger in Sachsen vorzustellen“, ruft er. Urban kommt auf die Bühne. Die AfD ist nicht stärkste Partei. Und doch sehen sie sich als Sieger. Schließlich hat die

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Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer bleibt mit seiner Partei laut ersten Hochrechnungen stärkste Kraft. Die AfD löst die Linke an Position zwei ab. Die SPD, die bisher mit der CDU regiert, fällt auf ein Rekordtief. Noch nie fiel ein SPD-Ergebnis schlechter aus. Die Grünen legen deutlich zu.

Das sind die Koordinaten dieser Wahl in Sachsen, die viele als „Schicksalswahl“ beschrieben haben. Nicht nur für das östliche Bundesland. Sondern für Deutschland. Die Wahlen zeigten auch:

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CDU kann in Sachsen weiterregieren

Auf der Wahlparty der CDU jubeln die Mitglieder der Partei um kurz nach 18 Uhr.

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Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Vorsitzende, und Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen.
Von T. Braune, J. Emmrich, T. Martus und K. Münstermann

konnte abwenden, wovor noch vor Wochen viele in der Union große Sorgen hatten: eine Niederlage gegen die AfD. Die CDU wird in Sachsen die Regierung stellen. Das war bis zuletzt nicht mehr sicher.

„Das freundliche Sachsen hat gewonnen“, sagt Kretschmer kurz nach den ersten Hochrechnungen. Das sei die positive Botschaft, die von diesem Abend ausgehe.

Kretschmer- Das freundliche Sachsen hat gewonnen

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    Ende 2017 übernahm Kretschmer das Amt des Ministerpräsidenten. Seitdem war der 44 Jahre alte Politiker im Wahlkampf-Modus, tourte durch die Wahlkreise, grillte, wanderte und diskutierte vor allem mit den Menschen in Sachsen. Sogar politische Konkurrenten lobten ihn dafür.

    Abwärtstrend der CDU bereits bei der Europawahl

    Doch hinter der Freude der CDU-Anhänger verschwimmt ein Abwärtstrend, den die Union in Sachsen schlucken muss. In den Neunzigerjahren landete die Partei unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bei fast 60 Prozent – seit Kriegsende kam die CDU bei keiner Landtagswahl auf diese Werte.

    Doch das ist lange her. 2014 waren es für die Sachsen-CDU noch knapp 40 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 noch gut 30. Der damalige CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich kündigte seinen Rücktritt an. Bei der Europawahl im Mai fiel die CDU auf 23 Prozent der Stimmen, die AfD erzielte mehr als 25.

    Sachsen ist das einzige Bundesland, das seit der Wiedervereinigung durchgehend von der CDU regiert wurde, bis 2004 sogar allein. Sachsen war stabil, zumindest aus Unionssicht. Das ist vorbei. Die Wahl an diesem Wochenende ist das bisher bitterste Kapitel einer Geschichte, in dem die CDU Wahl für Wahl ihre Macht in Sachsen eingebüßt hat – von der einstigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Biedenkopf-Ära zum Bangen um die Regierung.

    Kretschmer schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD aus

    Welche Optionen für eine Regierung hat die CDU jetzt? Eine Koalition mit der AfD hatte Kretschmer abgelehnt – genauso wie ein Bündnis mit den Linken. Auch eine Minderheitsregierung, in der die CDU durch SPD, Grüne und Co. toleriert wird, will Kretschmer nicht. Eine solche Regierung sei einem „freien Spiel der Kräfte“ ausgesetzt, hatte er vor der Wahl gesagt.

    Für ein Fortbestehen der großen Koalition aus CDU und SPD reicht es rechnerisch knapp demnach nicht. Möglich ist ein Bündnis der CDU mit SPD und Grünen, die sogenannte Kenia-Koalition, benannt nach den Landesfarben schwarz, rot und grün. Für die stark konservative Sachsen-CDU, aber auch für die Grünen wäre das ein großer Schritt – bei zentralen Themen wie Asylpolitik und Klimapolitik liegen die Parteien weit auseinander. Das Modell gibt es seit 2016 in Sachsen-Anhalt. „Kenia“ startete dort überraschend effektiv. Doch mittlerweile wächst der Streit zwischen Christdemokraten und Grünen.

    Reicht es selbst für eine „Kenia“-Koalition nicht, müsste die CDU neben SPD und Grünen auch noch die FDP ins Boot holen – sofern die Partei ins Parlament kommt, wonach es am Abend nicht aussah. Klar ist nur: Jeder Koalitionspartner mehr würde eine Regierung instabiler machen.

    AfD-Spitzenkandidat arbeitete zuvor beim Umweltverband

    Bei der Wahlparty der AfD steht jetzt Jörg Urban auf der Bühne, Spitzenkandidat. 1964 in Meißen geboren – und ein Politik-Neuling. Kurz war er Mitglied bei der Piratenpartei, 2013 kam er zur AfD.

    Jörg Urban, Spitzenkandidat der AfD, und Jörg Meuthen (r), Bundesvorsitzender der AfD, stehen auf der AfD-Wahlparty nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zur Landtagswahl in Sachsen zusammen.
    Jörg Urban, Spitzenkandidat der AfD, und Jörg Meuthen (r), Bundesvorsitzender der AfD, stehen auf der AfD-Wahlparty nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zur Landtagswahl in Sachsen zusammen. © dpa | Michael Kappeler

    Im Wahlkampf zeigte sich Urban Seite an Seite mit Björn Höcke, dem Rechtsaußen der AfD. Urban selbst zählt zu Höckes völkisch-nationalistischem „Flügel“. Und auch zum fremdenfeindlichen Pegida-Bündnis suchte Urban die Nähe.

    Im Wahlkampf wetterte Urban gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und schimpfte über eine „Klima-Hysterie“. Früher war Urban Geschäftsführer beim Umweltverband „Grüne Liga“ in Sachsen. Heute will seine AfD den Ausbau der erneuerbaren Energie stoppen.

    Jetzt, kurz nach 18 Uhr an diesem Wahlabend, ruft er ins Mikrofon, dass die AfD mehr Stimmen geholt habe „als jemals in einem Bundesland zuvor“. Unter dem Kruzifix im Saal A600 im sächsischen Landtag wird es noch mal laut. „Jawoll!“, ruft einer. Und dann stimmen ein paar Dutzend AfD-Anhänger mit ein: „AfD! AfD! AfD!“

    Während die AfD feiert, kommt in sozialen Netzwerken eine Diskussion auf – ausgelöst von einem Zitat in einer Wahlsendung im Ersten. Darin wurde eine potenzielle Koalition aus CDU und AfD als „bürgerliche Koalition“ bezeichnet. Politik-Beobachter und Twitter-Nutzer

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