Berlin. Eine an Schizophrenie erkrankte Frau aus Freiburg entsorgte 2016 ihren Hausrat. Nun hat das Bundessozialgericht darüber entschieden.

Wer erstmals in eine eigene Wohnung zieht, aber keinen Hausrat besitzt, kann eine einmalige Leistung vom Jobcenter für die Erstausstattung erhalten – vorausgesetzt, es besteht finanzieller Bedarf. Darüber hinaus sind für Hartz-IV-Bezieher in der Regel keine Zuschüsse für den Kauf von Möbeln vorgesehen. Nun sorgt der Fall einer psychisch kranken Frau für Aufsehen: Die Sozialhilfe muss ihr einen Zuschuss für ihren im Wahn vernichteten Hausrat gewähren, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Bei einem derartigen Krankheitsschub handle es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, heißt es in dem Urteil. Solch ein Umstand sei mit einem Wohnungsbrand vergleichbar. Und in Fällen, in denen das Inventar unverschuldet vernichtet wurde, sei eine Ersatzbeschaffung nach dem Willen des Gesetzgebers begründet.

Möbel zerstört: Frau litt an Warnvorstellungen

Die an paranoider Schizophrenie erkrankte Frau aus Freiburg hatte 2016 während eines Krankheitsschubs die Vorstellung entwickelt, dass ihr Hausrat und ihre Möbel "vergiftet" und "verflucht" gewesen seien. Daraufhin habe sie große Teile der noch funktionsfähigen Gegenstände entsorgt. Nach mehreren Aufenthalten in der Psychiatrie bezog sie anschließend eine neue Wohnung und beantragte bei der Stadt Freiburg eine finanzielle Beihilfe für eine Wohnungserstausstattung.

Die Kommune lehnte die Finanzspritze allerdings zunächst ab: Eine Ersatzbeschaffung auf Kosten der Sozialhilfe sei zwar möglich, setze aber ein besonderes Ereignis und von außen wirkende, plötzlich auftretende Umstände voraus, durch die das Mobiliar unbrauchbar geworden wäre, hieß es in der Begründung. Bei dem krankheitsbedingten Schub habe es sich hingegen um ein von innen wirkendes Ereignis gehandelt. Das BSG habe 2014 ebenfalls geurteilt, dass ein Drogenabhängiger für einen krankheitsbedingt erhöhten Verschleiß seiner Möbel keine Ersatzbeschaffung verlangen könne.

Bundessozialgericht spricht Frau Erstausstattungsbeihilfe zu

Nun haben die Kasseler Richter zu Gunsten der Frau entschieden: Sie sprachen ihr die geforderte Erstausstattungsbeihilfe in Höhe von 771 Euro zu. In Ausnahmefällen sei eine Ersatzbeschaffung mlglich, wenn wegen eines außergewöhnlichen, plötzlich auftretenden Umstandes die Einrichtungsgegenstände unbrauchbar geworden sind, wie etwa durch einen Wohnungsbrand.

Auch der erhebliche Krankheitsschub der Klägerin sei ein außergewöhnlicher Umstand gewesen. Die Einrichtungsgegenstände seien nicht wegen Verschleiß unbrauchbar geworden. Ein Ansparen für neue Möbel aus dem Regelsatz sei der Klägerin nicht möglich gewesen, befand das Gericht.

Hartz IV: Das sieht der Regelsatz für Möbel vor

Im Falle von Hartz IV beinhaltet der Regelbedarf grundsätzlich auch einen Betrag, der für entsprechende Notfälle gespart werden soll. Dieser betrug im Jahr 2021 26,49 pro Monat - für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände. Das Jobcenter kommt nicht durch Zuschüsse für neue Möbel auf, die alten Hausrat ersetzen sollen. Die Neuanschaffung von Matratze, Kühlschrank oder Waschmaschine wird deshalb schnell zur finanziellen Herausforderung, wenn unerwartet etwas kaputt gegangen ist.

Dieser Artikel ist zuerst auf www.waz.de erschienen

(raer/edp)