Berlin. Altersarmut: 1,2 Millionen Minijobber in Deutschland könnten im Rentenalter von Hartz IV abhängig sein. Die Linke fordert Lösungen.

Minijobs wurden einst erdacht, um Arbeitslosen eine Brücke in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bauen. Doch es zeigt sich seit längerem, dass sich dieses arbeitsmarktpolitische Ziel nicht erfüllt. Stattdessen sind Minijobs für viele der Weg in Altersarmut. Das zeigen neue Zahlen.

Hartz IV wurde zum 1. Januar 2023 durch das Bürgergeld ersetzt. Alle Infos zum Bürgergeld finden Sie hier.

Hauptgrund dafür ist, dass Menschen mit einer so genannten geringfügigen Beschäftigung entweder nur extrem niedrige oder gar keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das hat zur Folge, dass sie im Alter keine oder nur äußerst geringe Rentenansprüche haben, mit denen sie nicht über die Runden kommen. Lesen Sie auch: Immer mehr Rentner wandern aus – das sorgt für Probleme

Hartz IV im Alter: Gefahr für Minijobber besonders hoch

Problematisch ist dies vor allem für diejenigen, die einen 450-Euro-Job nicht zusätzlich als Neben-, sondern als Haupttätigkeit ausüben und das womöglich sogar über Jahre. Bei ihnen ist die Gefahr besonders groß, dass sie später auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind – also auf Hartz IV.

Hinzu kommt, dass Minijobberinnen und Minijobber bereits im Arbeitsleben etliche Nachteile haben: Bei Jobverlust haben sie etwa keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlen.

Auch Kurzarbeitergeld bekommen sie nicht, wenn ihr Arbeitsgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Gerade im Corona-Lockdown machte das vielen Betroffenen zu schaffen. Hinzu kommt, dass viele Minijobber nicht automatisch krankenversichert.

Rund 1,2 Millionen Minijobber in Deutschland könnten im Alter auf Hartz IV angewiesen sein.
Rund 1,2 Millionen Minijobber in Deutschland könnten im Alter auf Hartz IV angewiesen sein. © iStockphoto/Dobrila Vignjevic | iStockphoto/Dobrila Vignjevic

1,2 Millionen Minijobber im Alter womöglich auf Hartz IV angewiesen

Neue Zahlen zeigen jetzt, wie groß das Problem der Altersarmut bei geringfügig Beschäftigten ist: Fast 1,2 Millionen Minijobbern in Deutschland droht demnach wegen fehlender Rentenansprüche ein Ruhestand mit sehr wenig Geld. Denn wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, zahlt gut die Hälfte der rund 2,3 Millionen geringfügig Beschäftigten zwischen 25 und 65 Jahren nicht in die Rentenkasse ein. Dieser Gruppe von Minijobbern bleibe damit im Rentenalter nur der Bezug von Hartz IV.

Doch selbst wer Rentenbeiträge auf seine 450 Euro entrichtet, läuft Gefahr, im Alter auf finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen zu sein. Denn die gezahlten Beiträge sind sehr klein. Daher fallen später auch die Rentenbezüge gering aus. Die Zahl der Minijobber, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein werden, dürfte damit noch deutlich höher liegen.

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Die neuen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums stammen aus einer parlamentarischen Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Linke-Fraktion, Susanne Ferschl. In die konkrete Betrachtung zur Altersarmut ist die Gruppe jener Minijobber eingegangen, die älter als 25 und jünger als 65 Jahre sind. Schüler, Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner sind hierbei nicht berücksichtigt. Bei ihnen sind Minijobs in der Regel ein Zuverdienst zur Rente oder eine vorübergehende Beschäftigung.

Ferner gibt es weitere drei Millionen Beschäftigte, die einen Minijob zusätzlich zu ihrer regulären, sozialversicherungspflichtigen Arbeit haben. Nimmt man alle zusammen, ergibt sich für das Berichtsjahr 2020 eine Gesamtzahl von rund 7,3 Millionen Minijobberinnen und Minijobbern in Deutschland. Die meisten waren im Gastgewerbe, im Handel und in sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen tätig.

Den Angaben zufolge waren knapp 42 Prozent der geringfügig Beschäftigten Männer, die Mehrheit von 58 Prozent Frauen. Die meisten Minijobber waren im Gastgewerbe, im Handel und sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen tätig.

Minijob: Kritik von Sozialverbänden und Gewerkschaften

Deutliche Kritik an dieser Form der Beschäftigung kommt von Sozialverbänden und Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte unserer Redaktion: ,„Minijobs sind eine echte Falle“, sie endeten für die allermeisten „in jahrelanger Arbeit ohne soziale Absicherung mit Armutsrenten als direkter Folge“. Insbesondere gelte dies für Frauen, die rund 70 Prozent der ausschließlich geringfügig Beschäftigten im Erwerbsalter ausmachten. Piel kritisierte Pläne der Unionsparteien, die Minijobgrenze auf 550 Euro zu erhöhen, als „fahrlässig und unsozial“. Dies führe zu einem „krassen Fehlanreiz für noch mehr Minijobs“.

Piel forderte eine Reform der geringfügigen Beschäftigung: „Jede neue Bundesregierung steht in der Verantwortung, Minijobs endlich in Beschäftigung mit sozialer Absicherung umzuwandeln.“ Das sei eine der wichtigsten Lehren aus der Pandemie, in der Tausende ihren Minijob verloren hätten und ohne Anspruch auf Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld in Not gelandet seien. Die Gewerkschaften würden jede neue Koalition daran messen, ob sie die Reform der Minijobs vorantreibe.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, verlangte Neuregelungen. „Wir müssen schauen, ob Minijobs wirklich notwendig sind und wo man sie wirklich zugunsten von sozialversicherungspflichtigen Jobs abschaffen kann und muss“, sagte er unserer Redaktion. Schneider betonte: „Nur weil der Job mini ist, darf es die Rente nicht auch noch sein.“ Linke-Politikerin Ferschl kritisierte, Minijobs seien oft kein „Sprungbrett“ und böten „im Krisenfall keinerlei sozialen Schutz“.

Linke übt deutliche Kritik an Minijobs

Auch von der Linken kommt deutliche Kritik. Minijobs seien häufig kein „Sprungbrett“, sondern entwerteten bestehende Qualifikationen und böten zudem „im Krisenfall keinerlei sozialen Schutz“. 874.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte führten eine Tätigkeit unterhalb ihres Qualifikationsniveaus aus – das sei mehr als jeder oder jede Fünfte.

Die Linke im Bundestag fordert nun eine bessere soziale Absicherung der Geringverdiener. „Keine Stunde Arbeit ohne soziale Absicherung – das muss die Lehre aus der Corona-Krise sein. Die Pandemie hat den prekären Charakter und den fehlenden sozialen Schutz von Minijobs schonungslos offenbart“, sagte Linken-Fraktionsvize Susanne Ferschl.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.