Berlin. Das Bürgergeld soll das Hartz-IV-System ersetzen und Bedürftige stärker unterstützen. Sozialverbände fürchten einen faulen Kompromiss.

  • Die Ampel-Koalition ist vergangenes Jahr mit großen Versprechungen als Regierung gestartet gestartet
  • Eines der größten Projekte ist die Abschaffung von Hartz 4 und die Einführung des Bürgergeldes
  • Doch die Kritik wird immer lauter: Die geplante Höhe des Bürgergeldes sorgt bei vielen für Unmut

Das Bürgergeld war im Wahlkampf eines der Herzensprojekte der SPD. Ab 1. Januar 2023 soll es Hartz IV ersetzen und dabei unter anderem höhere Regelsätze für Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger garantieren. Doch Sozialverbände sind skeptisch. Ihr Vorwurf: Die Ampel-Koalition wolle die Betroffenen mit "Kleckerbeträgen" abspeisen.

Bürgergeld soll Hartz-IV-Empfängern rund 50 Euro mehr bringen

Mit dem Bürgergeld will die SPD den großen Reformwurf schaffen. Sozialminister Hubertus Heil kündigte mehrfach "deutliche" Erhöhungen der Regelsätze an. Zu diesem Zweck soll der Bemessungsrahmen nach oben angepasst werden. Statt der einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sollen nun die unteren 30 Prozent als Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Monatlich 40 bis 50 Euro mehr erhofft sich der SPD-Politiker für Bedürftige durch die Maßnahme.
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Kritikern sind die Erhöhungen zu gering. Die Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbands kalkuliert mit einem Minimum von 678 Euro, um den Lebenshaltungskosten in Deutschland gerecht zu werden. Gemäß den Reformplänen der Bundesregierung steigen die Regelleistungen Alleinstehender von 449 Euro auf lediglich 500 Euro. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Verbands nannte das Vorhaben einen "schlechten Witz".
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FDP torpediert Hartz-IV-Reformpläne

Nach Schneiders Interpretation des Gesetzesentwurfs soll die Lebensmittelpauschale für Jugendliche lediglich um 30 Cent pro Tag steigen. "Wenn es wieder nur Kleckerbeträge werden, dann sollte man besser beim Namen Hartz IV bleiben", kritisierte der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). © dpa | Christoph Soeder

Innerhalb der Koalition herrscht Uneinigkeit. Während die Grünen Heils Pläne befürworten, lehnt die FDP die pauschale Erhöhung unter Berufung auf den Koalitionsvertrag ab. Stattdessen sollen Betroffene mehr von ihren Nebenverdiensten behalten dürfen. Die FDP will die "Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zum Schwerpunkt" machen. Der galoppierenden Inflation will sie mit Boni und Heizkostenentlastungen beikommen.

Zeit wird knapp: Wann kommt das Bürgergeld?

In einer Pressemitteilung bezeichnete der Paritätische Wohlfahrtsverband die FDP in Hinblick auf den Widerstand als "sozialpolitisch ignorant". Auch die Forderung der FDP, Leistungen für Langzeitarbeitslose zu kürzen, wurde heftig angeprangert. Vor einem faulen Kompromiss mit der FDP warnte in der "taz" auch Helena Steinhaus vom Solidarverein "Sanktionsfrei". Die Partei habe eine "extreme Angst vor Sozialschmarotzertum."

Hartz IV wird zu Bürgergeld: Das ist geplant

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    Zweifel gibt es auch an der Zeitschiene der Reform. Das Bürgergeld bereits ab Anfang 2023 auszuschütten bezeichnete Steinhaus als "sportliches Vorhaben". Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise sagte der "taz", dass das Bürgergeld in Beratungen von Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfängerinnen derzeit noch gar keine Rolle spiele.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.