Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Teile von Hartz-IV-Sanktionen verstoßen gegen das Grundgesetz. Das Urteil ist richtig.

Wer gedacht hat, dass das Bundesverfassungsgericht das komplette Hartz-IV-System kippen würde, den hat das Urteil aus Karlsruhe enttäuscht. Sanktionen für Langzeitarbeitslose sind möglich, sie müssen aber weniger hart und etwas flexibler ausfallen als bisher.

Das ist die Aufgabe, die das höchste deutsche Gericht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mitgegeben hat. Er muss sich nun an die Überarbeitung der bestehenden Regeln machen. Die politische Debatte um diese Reform wird leidenschaftlich geführt werden.

Die Richter haben klar gemacht, dass der Staat für seine Leistungen an arbeitslose Menschen eine Gegenleistung erwarten kann. Wer in einer Notlage Unterstützung bekommt, muss dabei mithelfen, dass er aus dieser Notsituation wieder herauskommt. Dieses Prinzip des Förderns und Forderns, das mit den Hartz-Gesetzen etabliert wurde, haben die Richter bestätigt. Hartz IV kann bleiben – aber eben nicht unverändert.

Hartz IV: Harte Sanktionen verschlimmern oft Situation der Empfänger

Die Entscheidung der Karlsruher Richter ist richtig. Sie berücksichtig, dass Langzeitarbeitslose am Existenzminimum leben und dass es besonders heikel ist, ihnen diese ohnehin geringen staatlichen Leistungen zu kürzen. Auch kann eine besonders harte und besonders lange Kürzung die Lage des Betroffenen eher verschlimmern – wenn er beispielsweise seine Wohnung verliert. Die erzieherische Wirkung würde dann ins Gegenteil verkehrt.

Politik-Redakteur Philipp Neumann hält die Entscheidung der Karlsruher Richter zu Hartz-IV-Sanktionen für richtig und angemessen.
Politik-Redakteur Philipp Neumann hält die Entscheidung der Karlsruher Richter zu Hartz-IV-Sanktionen für richtig und angemessen. © Reto Klar | Reto Klar

Andererseits können die vielen arbeitenden Menschen, die diese staatlichen Leistungen mit ihrem Steuergeld finanzieren, erwarten, dass Hartz-IV-Empfänger sich stets darum bemühen, auf eigenen Füßen zu stehen. Dazu gehört der stete Druck, eben doch einen Job anzunehmen.

Dass das nicht immer ganz einfach ist und die Fähigkeiten zur Mitwirkung von Fall zu Fall sehr verschieden sind, gehört zur Wahrheit dazu. Die Richter haben deshalb klug gehandelt, wenn sie die mangelnde Flexibilität der geltenden Gesetze kritisiert haben.

Jobcenter muss künftig individuelle Situation von Hartz-IV-Empfängern berücksichtigen

Leistungen pauschal und für einen festgelegten Zeitraum zu kürzen, wird eben nicht jedem Langzeitarbeitslosen gerecht. Dass die Politik hier nacharbeiten muss, ist gut. Dass Hartz-IV dadurch komplizierter wird, gehört leider dazu. Die Mitarbeiter in Jobcentern müssen noch individueller als bisher auf die Situation der Langzeitarbeitslosen eingehen.

Minister Heil ist klug beraten, sich bei der Reform sehr eng an die Vorgaben der Karlsruher Richter zu halten. Sollte er mehr verändern wollen, als die konkreten Paragrafen, die bei dem Urteil eine Rolle spielten, öffnet er die Büchse der Pandora.

Eine Diskussion über eine komplette Reform von Hartz IV würde ein System hinwegfegen, das nicht nur in der Praxis in den Jobcentern eingeübt ist, sondern das auch anerkannt erfolgreich ist.