Berlin. Inge Auerbach hat das KZ Theresienstadt überlebt. Zum Holocaust-Gedenken im Bundestag hält die 87-Jährige eine erschütternde Rede.

Es sind Reden wie die von Inge Auerbacher, die die unfassbare Brutalität des nationalsozialistischen Regimes in die Gegenwart holen. Bei der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus hat die Holocaust-Überlebende ihre Geschichte erzählt.

Im Bundestag anwesend waren auch der Bundeskanzler, die Bundestagspräsidentin, der Bundespräsident und Knesset-Präsident Mickey Levy, der sagte, dass man an Orten wie dem Reichstag eine Ahnung davon bekommen könne, wie Menschen die Demokratie ausnutzen können, um sie zu zerstören.

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Rassistische und diskriminierende Tyrannei

„Dies ist der Ort, wo die Menschheit die Grenzen des Bösen gedehnt hat, ein Ort, wo Werteverlust einen demokratischen Rahmen in eine rassistische und diskriminierende Tyrannei verwandelt hat“, so Levy. „Und nun erfahren wir hier, in den Mauern dieses Hauses – stummer Zeuge aus Stahl und Stein – wieder die Zerbrechlichkeit der Demokratie und wir werden wieder an die Pflicht erinnert, sie zu schützen.“

Auerbacher beginnt ihre Rede mit der Frage: „Wer bin ich?“ Sie war ein „jüdisches Mädel“, das 1934 in Kippenheim geboren wird und 1942 von Jebenhausen bei Göppingen mit ihren Eltern ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wurde.

Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher im Bundestag.
Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher im Bundestag. © AFP | Stefanie Loos

Eltern schützten ihr Kind mit dem eigenen Körper

Die Aufseher brüllten, so erinnert sie sich: „Los, los, marschieren, lasst alles liegen.“ Sie mussten drei Kilometer bis zu den Baracken laufen, angetrieben von Peitschenhieben der Wächter, ihre Eltern schützten ihr Kind mit dem eigenen Körper. Damals blieb ihr nur eine Puppe.

Das KZ war umgeben von hohen Mauern, ihre wichtigsten Wörter seien damals „Brot, Kartoffeln und Suppe“ gewesen. Ihr Spielplatz war ein Abfallhaufen, wo sie Essensreste suchte. Damals freundete sie sich mit einem Mädchen namens Ruth an. Beide versprachen sich, sich zu besuchen. Ruth kam aus Berlin.

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„Die Vergangenheit darf nie vergessen werden“

Bei der Gedenkstunde im Bundestag rief Inge Auerbacher laut: „Ruth, ich bin hier, um dich zu besuchen!“ Das Mädchen Ruth starb mit zehn Jahren im KZ Auschwitz. Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema: Gedenken an den Holocaust – Die Zukunft endet nicht

Inge Auerbacher und ihre Eltern überlebten „wie ein Wunder“, doch 20 Mitglieder ihrer Familie wurden im Holocaust ermordet. Sie emigrierten in die USA, das Mädchen litt noch lange an den Folgen des KZ, wurde später Chemikerin. Heute sagt sie: „Die Vergangenheit darf nie vergessen werden.“ Ihr innigster Wunsch sei die Versöhnung aller Menschen.