Washington. Missbrauchte Trump sein Amt, um seine Wiederwahl zu sichern? Zeugen belasten den US-Präsidenten bei Anhörungen im Kongress schwer.

Die erste Anhörung in der größten Polit-Show des Jahres in Washington war mit Spannung erwartet worden. US-Präsident Donald Trump, im Zentrum des Interesses stehend, wütete anschließend gegen die brisanten Aussagen der ersten Zeugen. Die Kongressanhörung im Zuge der Impeachment-Ermittlungen seien nichts als eine „Hexenjagd“ und ein „Scherz“, sagte Trump am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Trump gab zu, die Anhörung „nicht angeschaut“ zu haben. Stattdessen habe er den Tag mit Erdogan verbracht, betonte er. Das sei weitaus wichtiger. Der US-Präsident wies die neuen belastenden Angaben zurück und nannte diese unzutreffend. Die Zeugen präsentierten lediglich Informationen aus dritter Hand, so Trump.

Kongressanhörung: Hat Trump seine Macht zum eigenen Vorteil missbraucht?

Adam Schiff, als demokratischer Vorsitzender des Geheimdienst-Ausschusses im Kongress zurzeit der mächtigste Gegenspieler von Donald Trump, führte zum Auftakt der ersten öffentlichen Anhörung um ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten die Vorwürfe am Mittwoch mit stoischer Miene auf ihren leicht verständlichen Kern zurück: Hat Trump seine präsidialen Befugnisse für persönliche Vorteile eingesetzt?

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Indem er die Auszahlung von 400 Millionen Dollar Militär-Hilfe an die Ukraine und einen Besuch von Präsident Wolodymyr Selenskij im Weißen Haus davon abhängig machte, dass Kiew ihm kompromittierende Informationen beschafft? Über seinen möglichen Herausforderer bei der Wahl 2020, den demokratischen Alt-Vizepräsidenten Joe Biden?

Sollte dies so gewesen sein, sollte Trump versucht haben, „die Verwundbarkeit” eines Verbündeten auszunutzen, „und die Ukraine zur Einmischung in unsere Wahlen aufzufordern”, sagte der frühere Staatsanwalt aus Los Angeles, müsse geklärt werden, ob „ein solcher Machtmissbrauch” mit dem höchsten Amt im Staate noch vereinbar sei. Die letzte Antwort darauf steht noch aus.

Impeachment-Ermittlungen gegen Trump: Neun weitere Zeugen sollen aussagen

Bis Ende nächster Woche warten weitere neun Zeugen-Aussagen von Top-Diplomaten und Regierungsangestellten. Erst danach steht die offizielle Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens an. Aber schon zum Start gerieten die sich als Trump-Beschützer empfindenden Republikaner in die Defensive.

Donald Trump (l.) empfing am Mittwoch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Weißen Haus, während im US-Kongress die Anhörung lief.
Donald Trump (l.) empfing am Mittwoch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Weißen Haus, während im US-Kongress die Anhörung lief. © dpa | Evan Vucci

Ihre Verteidigungsstrategie fußt neben Kritik an „vergeltungssüchtigen Demokraten“, „korrupten Medien” und „parteiischen Bürokraten”, wie sie Wortführer Devin Nunes sichtlich zornig vortrug, auf einem zentralen Vorwurf: Alle Zeugen hätten ihr Wissen über Trumps angeblichen sinistren Erpressungsversuch gegenüber der Ukraine nur vom Hörensagen.

Niemand könne sich direkt auf Äußerungen Trumps berufen. William Taylor, der geschäftsführende US-Botschafter in der Ukraine, der hinter verschlossenen Türen die drei oben genannten Schlüsselfragen im Kern mit „Ja” beantwortet hatte, konterte die Vorhaltung mit einem bislang nicht bekannten Detail mit Sprengkraft.

Danach hat Donald Trump seinen EU-Botschafter Gordon Sondland Mitte Juli persönlich am Telefon einvernommen, um den Stand der ukrainischen „Ermittlungen“ gegen Biden zu erfahren. Zu diesem Zeitpunkt war Taylor, ein Karriere-Diplomat mit einem halben Jahrhundert Staatsdienst auf den Schultern, nach eigenen Worten höchst „alarmiert” über den von Trump angeordneten Zahlungsstopp an die Ukraine.

Taylor kritisiert Trumps Entscheidungen als „kontraproduktiv, unlogisch, verrückt”

Das wichtige Partnerland Amerikas, das bis heute von russischer Expansion betroffen sei, „stand im Krieg”, Menschen seien gestorben. In dieser Lage die vom Parlament genehmigte US-Militärhilfe zurückzuhalten, „hat Amerikas Interessen geschadet und Moskaus Aggression gegen Kiew geholfen”, sagte der Vietnam-Veteran und nannte die Anordnung Trumps „kontraproduktiv, unlogisch und verrückt”.

Umso ernüchterter war der 72-Jährige, als er übermittelt bekam, dass Trump die „Ermittlungen gegen Biden mehr interessierten als die Ukraine“. Sondland, der Überbringer dieser Nuance, wird nächste Woche vernommen. Der frühere Hotelier wird mehr und mehr zum Kronzeugen.

Wie Taylor, so übte auch der zweite Zeuge des Tages, George Kent, schwere Kritik an dem Umstand, dass ein prominentes US-Nicht-Regierungsmitglied in der Ukraine eine „irreguläre” Neben-Diplomatie ausführte, die den USA schwer geschadet habe: Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani.

Der frühere Bürgermeister New Yorks, seit Jahrzehnten mit Trump befreundet, war demnach nicht nur der Schrittmacher für die Aufnahme von staatsanwaltlichen Ermittlungen der Ukraine gegen Joe Biden. Er war auch der Regisseur einer „Schmutz-Kampagne“ gegen die im Frühjahr geschasste etatmäßige US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, die am Freitag in den Zeugenstand tritt.

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Suchen die Republikaner einen Sündenbock, um Trump zu retten?

Trump persönlich hatte in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij im Juli Giuliani als seinen Quasi-Bevollmächtigten annonciert. Das Verhältnis der beiden New Yorker könnte sich demnächst verdüstern.

Wie den Fragen mehrerer Republikaner gestern zu entnehmen war, wollen sie Giuliani die Verantwortung für die Misere in die Schuhe schieben, die Trump im schlimmsten Fall das Amt kosten kann. Trump dagegen sei kein Vorwurf zu machen. Schließlich sei die US-Militärhilfe Anfang September an Kiew ausgezahlt worden sei, ohne dass die Ukraine Ermittlungen gegen Joe Biden angekündigt hätte.