Berlin. Bund und Länder trafen sich am Donnerstag zum Impfgipfel. Bestimmendes Thema war die Impfung von Kindern und Jugendlichen.

  • Der Impfgipfel mit Merkel und den Länderchefs und -chefinnen am Donnerstag sollte offene Corona-Fragen klären
  • Klar ist: Ab dem 7. Juni dürfen sich Kinder ab zwölf Jahren impfen lassen. Eine Bevorzugung gibt es aber nicht
  • Unklar blieb hingegen, wie die Hausärzte den zusätzlichen Ansturm bewältigen sollen
  • Das sind die Ergebnisse des Impfgipfels

Deutschlands Impfkampagne steht vor einem neuen Kapitel: Kinder und Jugendliche sollen nach dem Ende der bundesweiten Priorisierung ab dem 7. Juni die Möglichkeit haben, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Sofern die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff von Biontech/Pfizer für Jüngere an diesem Freitag zulässt, könnten sich die Jugendlichen ab diesem Tag um einen Impftermin bemühen. Darauf verständigten sich Bund und Länder am Donnerstag nach vierstündigen Gesprächen.

Impfgipfel: Was ist genau geplant?

In einem gemeinsamen Papier heißt es, Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren könnten sich ab 7. Juni, ähnlich wie andere Impfwillige ohne Priorität, „um einen Impftermin insbesondere bei den niedergelassenen Ärzten bemühen“. Damit soll ein „sicherer Schulbetrieb“ unabhängig von der Impffrage gewährleistet werden. Außerdem soll es bis Ende Juni, Anfang Juli einen digitalen Impfpass geben.

Vom Tisch sind hingegen Pläne, Kinder und Jugendliche bevorzugt zu impfen. „Die Impfung von Kindern ist ein sehr sensibler Akt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der anschließenden Pressekonferenz. Man habe daher, auch beraten durch die Ständige Impfkommission (Stiko), sich darauf geeinigt, dass Eltern mit den Hausärzten klären sollten, ob für die Kinder eine Impfung ratsam sei.

Auch wird es für Kinder kein Extrakontingent an Impfdosen geben. Impfungen müssen aus bereits zugesagten Kontingenten vorgenommen werden. Merkel verwahrte sich gegen Kritik, mit dieser Entscheidung würden Kinder erneut hintangestellt. Kinder mit Vorerkrankungen würden genauso prioritär behandelt wie andere Risikopatienten. „Ein sicherer Schulbetrieb wird auch in Zukunft völlig unabhängig von der Frage sein, ob ein Kind geimpft ist oder nicht“, betonte Merkel. Gleiches gelte für Urlaubsreisen.

Die Kanzlerin erneuerte ihr Impfversprechen: Bis zum Sommer werde jeder, der wolle, sich impfen lassen können – auch Kinder ab zwölf. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte, es gebe anders als vielleicht zunächst erwartet „keinen Überfluss“ an Impfstoffen. Es sei klar, „dass wir gut haushalten müssen“.

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Wie verliefen die Verhandlungen beim Impfgipfel?

Vor allem die Kinderfrage sorgte für gereizte Stimmung. Denn kurz vor dem Gipfel hatte die Stiko durchblicken lassen, dass sie einer pauschalen Empfehlung von Covid-19-Impfungen von Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren eher skeptisch gegenübersteht. Sie will in den kommenden eineinhalb Wochen darüber entscheiden.

Beim Impfgipfel kritisierten mehrere Ministerpräsidenten die Stiko, deren Vorsitzender Klaus Mertens zugeschaltet war. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, er verstehe nicht, warum nach einer Zulassung durch die EMA auch noch eine Empfehlung der Stiko notwendig sei. Die Kommission stifte mit ihren abweichenden Empfehlungen ein Durcheinander, befand sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier (CDU). Derzeit herrsche eine positive Grundstimmung, die nicht zerstört werden dürfe.

Mertens sah sich gezwungen, hier einmal Grundsätzliches zu klären. Er verglich seine Arbeit mit dem Straßenverkehr: Die EMA entscheide, ob ein Auto zugelassen werde, die Stiko mache die Verkehrsregeln. Sie handele dabei nicht politisch, sondern orientiere sich ausschließlich an medizinischen Gesichtspunkten.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) brachte das grundsätzliche Problem auf den Punkt: Wenn die EMA den Impfstoff für Kinder zulasse, die Stiko eine Impfung aber nicht empfehle, würde das maximale Verunsicherung bei den Eltern schaffen. Merkel betonte, wichtig sei das Signal, dass die Schulen auf alle Fälle wieder öffnen würden – ob mit oder ohne Impfungen.

Wie ist der weitere Zeitplan für Impfungen bei Kindern?

Die EMA will am Freitag entscheiden, ob Biontech auch für Zwölf- bis 15-Jährige in Europa zugelassen wird. Bislang kann Biontech ab 16 verimpft werden. Es wird damit gerechnet, dass auch für Jüngere die Zulassung kommt. In Kanada und den USA wird Biontech bereits seit Anfang beziehungsweise Mitte Mai an Kinder und Jugendliche verimpft.

In den USA wurden danach einige wenige Fälle von Herzmuskelentzündungen gemeldet – vornehmlich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Gesundheitsbehörde untersucht nun, ob ein Zusammenhang mit der Impfung besteht. Erste Studien aus den USA zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen ähnliche Impfreaktionen wie bei Erwachsenen beobachtet wurden, aber keine schweren. Rein statistisch ist das Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion für Kinder und Jugendliche gering.

Wie stark sind Kinder von Covid-19 betroffen?

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gab es in Deutschland während der gesamten Pandemie bei den Kindern bis neun Jahren zwölf Todesfälle, bei den Zehn- bis 19-Jährigen acht Verstorbene. Im Vergleich: Bei den 20- bis 29-Jährigen waren es schon 73, bei den 30- bis 39-Jährigen bereits 118. Allerdings sind Kinder und Jugendliche im Gegensatz zu anderen Altersgruppen nahezu ausnahmslos im Präsenzunterricht einer Gruppensituation und damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.

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Wie sind die Reaktionen auf die Impfbeschlüsse?

Einen „Gipfel der Enttäuschung insbesondere für Familien“ nannte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch das Ergebnis. „Dass bis heute nicht alle Risikopersonen geimpft sind und ein Angebot an die mittelalte Generation fehlt, ist eine bittere Nachwirkung des Beschaffungsdebakels“, sagte er unserer Redaktion. Deutschland sei mittlerweile in einer „gefährlichen Abhängigkeit von einem Hersteller“. Auch beim Thema Impfnachweis sei die Bundesregierung spät dran: „Warum wurde dieses Thema nicht mit Beginn der Impfkampagne angepackt? Dann hätte es bereits abgeschlossen sein können.“

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Der Deutsche Städtetag hat vor enttäuschten Hoffnungen gewarnt. „Schülerinnen und Schüler eine Impfung zu ermöglichen, ist eine gute Sache. Dann können die Kinder mit den Eltern darüber entscheiden, ob sie eine Impfung wollen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy unserer Redaktion. „Der Impfstoff ist aber im Moment so knapp, dass er gerade einmal für die Zweitimpfungen reicht. Bund und Länder müssen Tacheles reden und klar und ehrlich sagen, dass es noch Wochen dauert, bis jeder, der will, geimpft werden kann. Denn enttäuschte Hoffnungen kosten Vertrauen.“ Dedy appellierte an den Bund, ausreichend Impfdosen zur Verfügung zu stellen.