Jakarta / Sydney. Das indonesische Parlament hat ein umstrittenes neues Gesetz verabschiedet. Außerehelicher Sex kann bald mit Gefängnis bestraft werden.

Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Neuerungen als Rückschlag für ein Land, das sich als Gastgeber des G20-Gipfels gerade noch weltoffen gezeigt hat. Tatsächlich ist die Änderung des Strafgesetzbuches aber seit Jahren in Vorbereitung.

Indonesien ist zwar die drittgrößte Demokratie der Welt, doch der südostasiatische Inselstaat hat auch die größte muslimische Bevölkerung der Welt. Etwa 230 Millionen der rund 280 Millionen Indonesier bekennen sich zum Islam. Darunter sind auch islamische Moralprediger, die über die Jahre hinweg ihren Einfluss deutlich steigern konnten.

Das neue Strafgesetzbuch, das das indonesische Parlament nun am Dienstag verabschiedet hat, sieht unter anderem vor, dass Paare strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie außerehelichen Sex haben oder vor der Ehe zusammenleben.

Auch Ehebruch gilt als ein Vergehen, das eine zwölfmonatige Gefängnisstrafe nach sich ziehen kann. Die neuen Gesetze gelten für indonesische Staatsbürger wie für Ausländer. Allerdings können Paare nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie von einem engen Familienmitglied angezeigt werden.

Dämpfer für die Meinungsfreiheit

Weitere neue Strafen soll es für Kritik am Präsidenten oder an Ministern und Institutionen der Regierung geben. Auch Blasphemie soll hart geahndet werden. All diese Aspekte werden die Meinungsfreiheit einschränken und Demonstrationen erschweren. Weiterhin strafbar bleibt das Thema Abtreibung.

Es gibt jedoch Ausnahmen für Frauen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen und bei Vergewaltigung. Auch die Todesstrafe ist weiterhin gesetzlich verankert. Das Strafgesetzbuch soll im Rahmen einer dreijährigen Übergangsperiode in Kraft treten. In der Zwischenzeit kann es noch vor Gericht angefochten werden.

Menschenrechtsorganisationen gingen mit dem neuen Strafgesetzbuch hart ins Gericht. Es sei ein „erheblicher Schlag“ für die Menschenrechte, sagte Usman Hamid von Amnesty International in Indonesien.

Er befürchte, dass es ein „Klima der Angst“ erzeugen werde. Es entspreche nicht internationalen Menschenrechtsstandards, hieß es vonseiten der Organisation Human Rights Watch. Der Kodex enthalte Artikel, die die Rechte von Frauen, religiösen Minderheiten sowie Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Menschen verletzen würden.

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Ein Werkzeug gegen politische Feinde

„Die Gefahr repressiver Gesetze besteht nicht darin, dass sie breit angewendet werden“, erklärte Andreas Harsono, der die indonesische Fraktion von Human Rights Watch leitet. Die Gefahren würden in der „selektiven Umsetzung“ liegen. Derartige Gesetze würden es der Polizei ermöglichen, Bestechungsgelder zu erpressen. Beamte könnten die Blasphemie-Artikel zudem zum Anlass nehmen, politische Feinde inhaftieren zu lassen.

Insgesamt werde mit der Erweiterung des Blasphemiegesetzes die Religionsfreiheit im Land weiter eingeschränkt, so Harsono. Beispielsweise soll künftig jemand, der einen anderen davon überzeugt, „ein Ungläubiger zu werden“, strafrechtlich verfolgt und inhaftiert werden.

Die Aktualisierung des indonesischen Strafgesetzbuches, das auf die niederländische Kolonialzeit zurückgeht, hat mehr als fünf Jahrzehnte gedauert. Im September 2019 beschloss Indonesiens Präsident Joko Widodo noch, die Verabschiedung des Entwurfs aufgrund massiver Straßenproteste zu verschieben. Daraufhin sei das Gesetz etwas „sozialisiert“ worden, wie es vonseiten der Menschenrechtsorganisation heißt.

Das indonesische Parlament hat ein umstrittenes neues Strafgesetzbuch verabschiedet. Viele Menschen protestieren.
Das indonesische Parlament hat ein umstrittenes neues Strafgesetzbuch verabschiedet. Viele Menschen protestieren. © ADEK BERRY / AFP

Ruck in Richtung Scharia

Mit den Neuerungen wird das Leben in ganz Indonesien deutlich islamischer geprägt. Bisher waren nur einige Regionen Indonesiens wie die Provinz Aceh im Norden von Sumatra, wo das islamische Recht, die Scharia, gilt, dafür bekannt, dass sie mit strenger Hand gegen vermeintlich unsittliches Benehmen vorgehen.

2017 meldeten internationale Medien beispielsweise, wie zwei homosexuelle Männer dort zu jeweils 85 Stockhieben verurteilt wurden. 2019 zeigten Bilder, wie gleichgeschlechtliche Paare ausgepeitscht oder mit Stöcken geschlagen wurden, weil sie außerehelichen Sex hatten.

Doch es gab bereits seit Längerem Anzeichen, dass sich die strengen islamischen Regeln weiter ausbreiten. Erst im Juli berichtete Human Rights Watch von mehr als 60 Dekreten im Land, die sich mit der Kleidung von Frauen beschäftigen.

Letztere Vorschriften schränken die Rechte der Frauen im Land teils dramatisch ein: So dokumentierte die Organisation Zeugenaussagen von mehr als 100 Frauen, die gemobbt, bedroht oder diskriminiert wurden, weil sie sich weigerten, den Jilbab oder Hijab zu tragen. Letzteres sind Kleidungsstücke aus dem islamischen Glaubensumfeld, die in Kombination mit einem langen Rock und einem langärmligen Hemd die Haare und den Körper von Frauen weitestgehend bedecken.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.