Berlin. Das Coronavirus könnte für die EU zu einer großen Herausforderung werden. Gefragt sind Besonnenheit und Solidarität. Ein Kommentar.

Die Nachrichten aus Asien über die Entwicklung der Corona-Seuche sind beunruhigend. Das Virus hat sich mit einer Geschwindigkeit ausgebreitet, die die Gefahr einer weltweiten Pandemie von Tag zu Tag größer werden lässt.

Mehr als 60.000 Menschen sind bereits erkrankt, fast 1400 sind an der neuartigen Lungenkrankheit gestorben. Das Virus überträgt sich schnell von Mensch zu Mensch, die Symptome sind teilweise schwer erkennbar – das macht Corona so gefährlich. Kann die Seuche noch rechtzeitig eingedämmt werden?

Ja, aber die Chancen sinken. In einer fortgeschritten globalisierten Welt reisen eben nicht nur Menschen und Güter, sondern auch Krankheitserreger rund um den Globus.

Die chinesischen Behörden haben zwar mit weltweit einmalig drakonischen Maßnahmen, mit der Quarantäne für viele Millionen Menschen, das Tempo der Ausbreitung jenseits der Landesgrenzen bremsen können – aber die Lage haben sie nicht im Griff. Es bleibt ein tragisches Versäumnis, dass chinesische Funktionäre am Anfang zu lange versuchten, den Seuchenausbruch zu vertuschen; so ging viel Zeit verloren.

Coronavirus: könnte für EU zu einer großen Herausforderung werden

Brüssel-Korrespondent Christian Kerl.
Brüssel-Korrespondent Christian Kerl. © Privat

Die Folgen sind weltweit spürbar, weil China global eine so wichtige Rolle spielt. Schon warnt die EU-Kommission vor Risiken für das Wachstum in Europa. Und als die EU-Gesundheitsminister am Donnerstag in Brüssel zu einem Krisentreffen zusammenkamen, unterließen sie erfreulicherweise alle Beschwichtigungsversuche.

Stattdessen ist klar: Die Vorbereitungen für eine Verschlechterung der Lage in Europa laufen längst, von der Krankenhaus-Notfallplanung bis zum Aufstocken der Schutzausrüstung.

Noch steht Europa, auch dank eines ordentlichen Krisenmanagements, gut da: Erst 44 Menschen in sieben Ländern der Europäischen Union sind erkrankt. Weitere Corona-Fälle früh entdecken, isolieren und die Infektionsketten unterbrechen – das bleibt die erste Aufgabe. Geplant ist jetzt, aus China einreisende potenzielle Träger des Virus noch besser zu erfassen.

Dennoch muss Europa dafür gewappnet sein, dass die Zahl der Erkrankten deutlich steigt, auch weil man immer noch zu wenig über das Virus weiß. Nein, Anlass zur Panik besteht deshalb nicht. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bleibt für die Bürger gering, tödliche Verläufe sind relativ selten. Aber ja, man darf besorgt sein. Wenn das Virus einmal in Deutschland zirkulieren sollte, sind die Schutzmöglichkeiten überschaubar, solange kein Impfstoff zur Verfügung steht.

Besonnenheit, Menschlichkeit und Solidarität sind gefragt

Jeder tut gut daran, sich schon jetzt einfache Verhaltensregeln in Erinnerung zu rufen: Abstand zu Erkrankten halten, Hände waschen, die Etikette beim Husten und Niesen beachten. China ist in der Lage, Millionenstädte abzusperren – das dürfte in Europa ausgeschlossen sein.

Aber die Stimmung kann schnell kippen, wie die Jagd auf Atemschutzmasken zeigt, die Gesunde so gut wie gar nicht vor Ansteckung schützen, oder die sinnlosen Versuche, pauschal Menschen mit asiatischem Aussehen zu meiden. Gefragt sind stattdessen: Besonnenheit, Menschlichkeit und Solidarität, weltweit.

Kurzfristig ist ja die größte Gefahr, dass schlecht ausgerüstete Staaten vor allem in Afrika nicht ausreichend auf Infektionsfälle reagieren können – und sich die Seuche von dort zügig weiter ausbreitet. Hier muss schnell und entschlossen Hilfe aus Europa ansetzen, mit Geld, Schutzkleidung oder Medikamenten. Und natürlich in China, wo gerade viele Millionen Menschen einen Albtraum durchleiden. Jede Woche, die China die Ausbreitung der Seuche verzögern kann, ist für den Rest der Welt ein Gewinn.