Washington. Der an Corona erkrankte US-Präsident Trump vertraut Dr. Sean Conley – doch dem behandelnden Mediziner mangelt es an Glaubwürdigkeit.

Um zu verstehen, warum Sean Conley, der Leibarzt des amerikanischen Präsidenten, gerade einen schweren Stand hat, muss man an seinen Quasi-Vor-Vorgänger erinnern. Dr. Harald Bornstein hatte Donald Trump 2015 etwas attestiert, was in der Hall of Fame der Quacksalberei eine Ehrenvitrine verdient: „Wenn Mr. Trump gewählt würde“, so der Mediziner damals, „das kann ich ohne jeden Zweifel feststellen, wäre er die gesündeste Person, die jemals zum amerikanischen Präsidenten gewählt werden würde.“

Später stellte sich heraus, dass Trump dem langhaarigen Hausarzt das wohlwollende Bulletin Wort für Wort in den Block diktiert hatte. Warum, fragen kritische Stimmen nicht nur in sozialen Medien, sollte es bei Sean Conley eigentlich anders sein?

Trumps Leibarzt Sean Conley führt in die Irre

Seit der 40 Jahre alte Vater von drei Kindern am vergangenen Sonnabend im steif gebügelten Weißkittel vor dem Walter-Reed-Militärhospital vor den Toren Washingtons ans Mikrofon trat und einen später mehrfach ergänzten, korrigierten und teilweise bewusst in die Irre führenden Befund über Amerikas bekanntesten Corona-Patienten abgab, steht die Lauterkeit des in Doylestown/Pennsylvania geborenen Arztes zur Debatte. Und sein Werdegang.

Denn Conley ist kein klassischer Arzt nach amerikanischem Muster. Er erwarb seinen Doktortitel vor 14 Jahren an einer Universität in Philadelphia in Osteopathie (wörtlich: Knochenleiden). Dabei handelt es sich um eine ganzheitlich ausgerichtete Heilmethode, die in Deutschland sehr verkürzt mit Handauflegen und sanfter Massage verbunden wird, in den USA jedoch enger an die herkömmliche Medizin angelehnt ist.

Conley liefert die Wahrheit in homöopathischen Dosen

Anders wäre nicht erklärlich, dass Conley, der 2018 bei Trump die Nachfolge des danach schwer gestrauchelten Ronny Jackson übernahm, im Afghanistan-Einsatz der Nato am Luftstützpunkt Kandahar in der Traumatologie arbeitete. Für einen notärztlichen Einsatz zugunsten von sechs rumänischen Nato-Soldaten, die in eine Sprengstofffalle der Taliban geraten waren, erhielt Conley, Dienstrang „Fregattenkapitän“ der Marine, vor sechs Jahren einen Orden des früheren Ostblockstaates.

Größere Aufmerksamkeit erfuhr Sean Conley zum ersten Mal Ende 2019. Damals löste ein außerplanmäßiger Besuch Trumps im Walter-Reed-Krankenhaus Spekulationen über Herzbeschwerden oder sogar einen Schlaganfall aus. Conley dementierte nach Kräften, sprach von einem Routinebesuch, blieb aber Details schuldig. So auch diesmal.

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    Ganz gleich, ob es um Trumps Fieberkurve ging oder die Tatsache, dass er zusätzlichen Sauerstoff verabreicht bekam, oder den ominösen Befund der präsidialen Lunge: Conley liefert die Wahrheit über den Gesundheitszustand seines wichtigsten Patienten nur in homöopathischen Dosen.

    Trump: Oberste Priorität hat die Außendarstellung

    Als die Sache aufflog, massierte Conley am Sonntag nach. Tenor: Ich wollte nichts verlauten lassen, was den positiven Verlauf der Krankheit Trumps in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit „in eine andere Richtung gelenkt“ hätte, sagte er. Darum seien medizinische Fakten, etwa Trumps ernster Zustand am Freitag, weggelassen worden.

    Mit anderen Worten: Conley darf nur sagen, was Trump für die Außendarstellung genehmigt hat. Facetten, die den Präsidenten als krank oder gar amtsunfähig erscheinen lassen könnten, werden ausgefiltert. Ähnlich war es, als Conley Trump im Frühjahr widerwillig grünes Licht gab, das umstrittene und inzwischen weithin verworfene Malariamittel Hydroxychloroquin zur Corona-Vorbeugung einzunehmen. Conley hatte große Zweifel und sagte zu Trump: „Wenn Sie es möchten.“ Trump gab zurück: „Ja, ich möchte.“

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