Berlin/Teheran. Mindestens elf Demonstranten im Zuge der Proteste wurden zum Tode verurteilt, darunter ein Arzt. Die erste Frau wird anders bestraft.

Am 2. Dezember weckte ein Anruf die Familie Rahnavard auf: „Euer Sohn wurde hingerichtet und im 66. Ausschnitt des großen Friedhofs von Mashhad begraben.“ Die Eltern durften am Tag davor ihren Sohn im Gefängnis besuchen, sie wussten aber nicht, dass es ihr letztes Treffen sein sollte. Sie warteten noch auf das Urteil des Revisionsgerichts.

Majidreza Rahnavard war 23 Jahre alt. Er soll zwei Mitglieder der Basidsch-Miliz ermordet und vier andere verletzt haben. Basidsch ist eine Unterabteilung der iranischen Revolutionsgarden und an der Unterdrückung der Proteste im Iran beteiligt. Majidreza Rahnavard wurde am 19. November auf einer Demonstration in seiner Heimatstadt Mashhad im Osten Irans festgenommen, nur 23 Tage vor seiner Hinrichtung.

Iran: Majidreza Rahnavard hatte eine westliche Weltsicht

Am 29. November fand sein eintägiges Gerichtsverfahren statt, auf dem ihm „Muhariba“ vorgeworfen wurde, also „Kriegsführung gegen Gott“. Am 12. Dezember fand laut der Nachrichtenagentur der iranischen Justiz seine öffentliche Exekution statt. Majidreza Rahnavard war ein junger Mann aus der unteren Mittelschicht. Er verbrachte viel Zeit mit Sport, vor allem Ringen. Die Bilder und Videos, die von ihm im Internet zu finden sind, deuten darauf hin, dass er eine moderne, westliche Weltsicht hatte.

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Vier Tage zuvor war der erste Demonstrant in diesem Aufstand, Mohsen Shekari, verurteilt und hingerichtet worden. In beiden Fällen lag sehr wenig Zeit zwischen dem Urteil und der Vollstreckung. Bisher sind mindestens elf weitere Menschen zum Tode verurteilt worden, berichten Menschenrechtsorganisationen übereinstimmend. Das Follow-up-Komitee für inhaftierte Personen, eine Gruppe von Journalisten und Aktivisten, die Informationen über die Inhaftierten sammelt, hat weitere 24 Festgenommene identifiziert, denen ein Todesurteil droht. Die Justiz selbst spricht von etwa 80 Anklagen.

Der Arzt wurde von Sicherheitskräften schwer verprügelt

Auch der Teheraner Arzt Hamid Gharehassanlou hat sein Todesurteil bekommen. Er soll, so das Gericht, einen Sicherheitsbeamten getötet haben. Der 53-Jährige wurde am 4. November mit seiner Ehefrau in der Wohnung festgenommen. Dabei sollen die Sicherheitskräfte ihn so schwer verprügelt haben, dass er nicht ins Gefängnis, sondern ins Krankenhaus kam.

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Hamid Gharehassanlou hatte an einer Demonstration zum Gedenken an eine bei den Protesten getötete 22-Jährige teilgenommen. Dabei soll er einen Sicherheitsbeamten getötet haben, während er nach Augenzeugenberichten einen bei den Demonstrationen verletzten Kleriker ins Krankenhaus gebracht und behandelt haben soll. Sein Todesurteil wurde dem Arzt noch im Krankenhaus mitgeteilt.

Proteste im Iran: Das erste Urteil gegen eine Frau

Es ist kein Muster bei der Vollstreckung der Todesurteile erkennbar. Allen Verurteilten droht eine unmittelbare Hinrichtung. Einer von ihnen ist Sahand Noor Mohammadzadeh (26). Er soll auf einer Demonstration eine Straße gesperrt und einen Container angezündet haben. Am 16. November wurde er im Teheraner Revolutionsgericht zum Tode verurteilt.

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Unter den Angeklagten, die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten mit ihrer Hinrichtung rechnen müssen, sind unter anderem ein ehemaliger Fußballprofi, Studierende und Minderjährige. Auch die erste Frau wurde wegen „Kriegs gegen Gott“ verurteilt. Sie darf im Gefängnis weiterleben. Sie bekam 25 Jahre Haft.