Jerusalem. Der amerikanische Außenminister Blinken hat Israel und Palästina besucht. Blinken rief beide Seiten dazu auf, die Gewalt einzudämmen.

Was Israel und die USA miteinander verbinde, seien ihre „gemeinsamen Werte“, sagte der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken in Jerusalem. Und er ging sogleich dazu über, exakt jene demokratischen Grundfesten aufzuzählen, die das ultrarechte Kabinett unter Benjamin Netanjahu bekämpfen will: Rechtsstaatlichkeit, freie Presse, Gewaltenteilung und Minderheitenrechte.

In all diesen Bereichen plant die Koalition unter Benjamin Netanjahu drastische Einschnitte, zuallererst bei der Justiz. In ungewöhnlich konkreter Weise sprach Blinken diese Pläne an. Er regte an, dass Netanjahu sich eine „breite Mehrheit“ für die Justizreform suche.

Man könnte das als diplomatischen Wangenkniff verstehen. Netanjahu hingegen versuchte zu beruhigen: Israel und die USA seien „zwei starke Demokratien, die auch weiterhin, das versichere ich Ihnen, zwei starke Regierungen bleiben werden“, sagte er.

Nahost: Netanjahus neue Regierung will massiv in den Ausbau der Siedlungen

Wenn Blinken von Werten spricht, muss er sich von Kritikern der israelischen Besatzung aber auch vorwerfen lassen, dass die USA mit zweierlei Maß messen. Sie scheuen auch nicht davor zurück, den Vergleich mit der Ukraine zu ziehen, wenn es um die schleichende Annexion der von Israel besetzten und verwalteten Gebiete geht.

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Netanjahus neue Regierung will massiv in den Ausbau der Siedlungen und in die Infrastruktur rundherum investieren. Allein sieben Milliarden Schekel (1,9 Milliarden Euro) fließen in den Ausbau der Straßen, die diese Siedlungen untereinander und mit Israel verbinden. Dieses Straßennetz geht zu Lasten der palästinensischen Infrastruktur, oftmals werden einzelne Dörfer und Städte voneinander abgeschnitten. Die Regierung plant zudem weitere Steuererleichterungen für Israelis, die beschließen, sich im Westjordanland niederzulassen.

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Die palästinensischen Erwartungen an Blinken waren gering

Eine solche gezielte Besiedlung von okkupiertem Territorium durch die Besatzungsmacht gilt als schwerer Völkerrechtsbruch. Blinken sprach sich einmal mehr für die Zwei-Staaten-Lösung aus, die der „einzige Weg“ nach vorne seien. Zudem mahnte er beiden Seiten zu „dringenden Schritten“ an, um die Gewalt einzudämmen.

US-Außenminister Antony Blinken traf sich mit Palästinenserpräsident Machmud Abbas in Ramallah. Die Erwartungen der Palästinenser waren gering.
US-Außenminister Antony Blinken traf sich mit Palästinenserpräsident Machmud Abbas in Ramallah. Die Erwartungen der Palästinenser waren gering. © AFP | Ronaldo Schemidt

Vor seinem für Dienstagnachmittag geplanten Treffen mit dem Palästinenserpräsident Machmud Abbas waren die palästinensischen Erwartungen äußerst gering. „Den USA ist das Wohlergehen der Palästinenser doch egal“, sagt Dimitri Dilani, Sprecher einer abbas-kritischen Fraktion der Fatah. Der schwere Anschlag auf die Synagogenbesucher am Freitag sei von Blinken konkret verurteilt worden, der Einsatz der israelischen Armee in Dschenin hingegen nicht. „Das ist nicht diplomatisch, das ist feige“, meint Dilani.

Besuch in sehr angespannter Zeit

Der Besuch kommt in einer höchst angespannten Phase. In den vergangenen 30 Tagen kam im Westjordanland durchschnittlich jeden Tag ein Palästinenser bei einem israelischen Armeeeinsatz ums Leben. Am Freitag schoss ein palästinensischer Terrorist wahllos auf Synagogenbesucher in Ostjerusalem, sieben Menschen verloren bei dem Anschlag ihr Leben. Es war der schwerste Anschlag seit 15 Jahren. In Reaktion darauf wurden im Westjordanland mindestens 30 gewaltsame Übergriffe durch Siedler auf Palästinenser registriert.

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