Rom. Die Postfaschistin hat die Wahl klar gewonnen. Mit ihr steigen auch Salvini, Berlusconi und Tremonti auf – ziemlich schwierige Partner.

Als Wölfin im Schafspelz präsentiert sich die Rechtspopulistin Giorgia Meloni ihren Anhängern nach ihrem erdrutschartigen Sieg bei den Parlamentswahlen in Italien. Im Nobelhotel Parco dei Principi im Herzen Roms tritt sie selbstbewusst, aber gemäßigt auf. Mit ihren Mitstreitern stimmt sie in freudvollem Elan den 70er-Jahre-Hit „Der Himmel wird immer blauer“ an.

Doch die Partystimmung ist in der langen Wahlnacht bald vorbei. Meloni will sich von ihrer ernsten, zuverlässigen Seite präsentieren und zitiert dabei den Heiligen Franz von Assisi, Italiens Schutzpatron. „Zuerst tun wir die notwendigen Dinge, danach die möglichen und letztendlich die unmöglichen.“ Die Römerin weiß, dass sie zur ersten italienischen Premierministerin an der Spitze einer Rechtsregierung aufrücken könnte. Und um Geschichte zu schreiben, wird sich Meloni, davon sind ihre Gegner überzeugt, nicht scheuen, mit der Europäischen Union auf Konfrontationskurs zu gehen. Und sie muss sich mit drei ambitionierten Männern arrangieren.

Giorgia Meloni: Die Königin der Postfaschisten

An Selbstbewusstsein mangelt es der 45 Jahre alten Römerin nicht. Unter ihrer Führung wurde die kleine 2013 gegründete rechtsnationale Gruppierung Fratelli d’Italia (FdI - Brüder Italiens) zur stärksten Einzelpartei Italiens mit 26 Prozent der Stimmen. 2018 hatte die Rechtspartei noch magere 4,3 Prozent der Stimmen eingeheimst. Indiskretionen zufolge hat die „Königin der Postfaschisten“, wie sie von italienischen Medien bezeichnet wird, die Ministerliste, mit der sie jetzt Italien regieren will, bereits in der Tasche.

Giorgia Meloni
Giorgia Meloni © afp | afp

In den europäischen Hauptstädten blickt man gespannt nach Rom. Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Einigkeit Europas im Kampf gegen Kremlchef Wladimir Putin und die explodierenden Energiekosten als Folge des Ukraine-Krieges besonders gefragt ist, fürchten manche ein Ausscheren Italiens. Denn als Anhängerin des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban macht sie kein Hehl daraus, dass sie den Interessen Italiens Vorrang geben will, auch wenn dies zu Konflikten mit Brüssel führen sollte. Dass „Italien zuerst“ künftig die Devise in Rom sein wird, befürchten viele in der EU. Schließlich ist der von Mussolini genutzte Slogan „Gott, Vaterland und Familie“ Melonis Motto.

Meloni und ihre Partei profitierten zunehmend von der wachsenden Unzufriedenheit vieler Wähler angesichts von Inflation, explodierenden Energiepreisen und der verschlechterten Wirtschaftskonjunktur. Mit Brüssel wird Meloni trotz ihrer rechtspopulistischen Slogans jedoch eine Einigung finden müssen. Denn Italien ist der stärkste Nutznießer des von der EU finanzierten Recovery Plans nach der Pandemie. Und auf die 200 Milliarden Euro aus Brüssel will keiner in Rom verzichten.

Matteo Salvini: Verlierer im Rechtsbündnis

Der erdrutschartige Wahlsieg Melonis bei den Parlamentswahlen verweist den Jahre lang das Rechtslager dominierenden Lega-Chef Matteo Salvini in die zweite Reihe. Der frühere Innenminister geht aus dem Konkurrenzkampf innerhalb des Rechtsbündnisses als klarer Verlierer hervor.

Matteo Salvini
Matteo Salvini © AFP | MIGUEL MEDINA

Auf nur 9 Prozent der Stimmen kam die einst in Umfragen führende Lega bei der Wahl am Sonntag. Der Absturz übertrifft die schlimmsten Befürchtungen Salvinis. 17,4 Prozent der Stimmen hatte die Lega noch bei den Parlamentswahlen 2018 erobert und war damit zur zweitstärksten Partei hinter der Fünf Sterne-Bewegung avanciert. Bei den EU-Parlamentswahlen 2019 hatte Salvini seinen politischen Höhepunkt mit 34 Prozent der Stimmen erreicht.

Seitdem hat der Lega-Chef auf Grund von Strategiefehlern und der zunehmenden Konkurrenz der charismatischen Meloni stark an Popularität eingebüßt. Während die Lega die Allparteienregierung um Premier Mario Draghi unterstützte und sich auf schwierige Kompromisse mit den Sozialdemokraten und der Fünf Sterne-Bewegung einließ, nutzten Melonis Fratelli d’Italia als Oppositionspartei den zunehmenden Unmut der Italiener wegen Energiekrise, Inflation und ungewissen Wirtschaftsaussichten, um an Popularität zu gewinnen.

Sogar in den einstigen Lega-Hochburgen in Norditalien wie in der Region Lombardei und Venetien eroberte die Meloni-Partei doppelt so viele Stimmen als die Lega. Salvini zahlte außerdem einen hohen Preis für seinen Beschluss, im Juli die Regierung von Premier Draghi zu stürzen. Dies kam vor allem bei den norditalienischen Unternehmern schlecht an, denn die Industriellen hatten die Regierung Draghi als Garant für Stabilität und Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene betrachtet.

Silvio Berlusconi: Comeback eines Unverwüstlichen

Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi © dpa | Ervin Shulku

Vier Tage vor seinem 86. Geburtstag hat Italiens Ex-Premier und Medientycoon Silvio Berlusconi Grund zum Feiern. Neun Jahre nachdem er aus dem Parlament in Rom infolge einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs ausgeschlossen worden war, ist der Mailänder TV-Zar bei den Parlamentswahlen wieder zum Senator gewählt worden.

Als offenes Geheimnis gilt, dass der Chef der konservativen Partei Forza Italia seine Karriere mit dem Amt als Senatspräsident krönen will. Seine Partei kam bei den Wahlen auf 8,3 Prozent der Stimmen. Das ist deutlich weniger als erhofft, Berlusconi hatte sich ein zweistelliges Ergebnis erwartet.

Aber die Forza Italia ist nun fast so stark wie die verbündete Lega. In der Koalition mit der Europaskeptikerin Meloni an der Spitze könnte Berlusconi, dessen Partei der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, eine Vermittlerfunktion mit Brüssel einnehmen. Schließlich hat der EU-Parlamentarier Berlusconi beste Verbindungen in Europa.

Giulio Tremonti: Globalisierungskritiker mit Ambitionen

Giulio Tremonti
Giulio Tremonti © picture alliance / Nick Zonna | Nick Zonna / IPA

Als möglicher Wirtschaftsminister in der künftigen Meloni-Regierung gilt der Steuerrechtsexperte Giulio Tremonti. Der 75-jährige Ex-Wirtschaftsminister, einst Vertrauensmann von Silvio Berlusconi, ist der einzige Name von internationalem Profil in Melonis Mannschaft. Zwischen 1994 und 2011 war er viermal Finanzminister unter Berlusconi. Nun wurde er in Melonis Partei für ein Mandat im Abgeordnetenhaus gewählt.

Der Steuerrechtsexperte aus der lombardischen Bergprovinz Sondrio gilt als überzeugter Globalisierungskritiker. Er fordert unter anderem eine Überarbeitung des europäischen Wiederaufbauprogramms, das seiner Ansicht nach aus einer ganz anderen Epoche stammt und nicht die aktuelle Energiekrise berücksichtigt.

Nach dem klaren Rechtsruck in Italien verschiebt sich in Europa das Kräfteverhältnis. Die Gegner des europäischen Integrationsprozesses gehen deutlich gestärkt aus den Wahlen hervor. Italien hat gegenüber der EU nun ein Erpressungspotenzial in der Hand. Denn gemeinsam mit Polen und Ungarn könnte der Gründerstaat der EU politische Entscheidungen blockieren. Bei Beschlüssen in Politikfeldern, wo eine qualifizierte Mehrheit nötig ist, hatte man bisher Ungarn und Polen überstimmen können. Mit Italien ist das jetzt nicht mehr möglich.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.