Rom. Bei der Parlamentswahl in Italien setzen die Parteien auf VIPs. Diese Filmdiven, Ex-Formel 1-Stars und Fußballclub-Besitzer treten an.

Fünf Wochen vor den Parlamentswahlen am 25. September dreht sich in Italien das Kandidaten-Karussell. Das Taktieren für die Plätze in den Wahllisten ist voll im Gange. Bei den Parteien aller Schattierungen hat eine regelrechte Jagd auf VIP-Kandidaten eingesetzt, ganz nach dem Motto: Wenn schon Politik und Parteien für die Wähler immer unattraktiver werden, dann braucht es attraktive Kandidaten. Filmdiven, Virologen, Ex-Formel 1-Stars, Fußballclub-Besitzer: Die Namenliste der Polit-Neulinge, die ins Parlament drängen, ist lang.

Sie balgen sich mit eingefleischten Profis mit jahrzehntelanger Karriere um einen begehrten Parlamentssitz in Rom, einen der bestbezahlten Polit-Jobs Europas. Das Duell ist zäh: Denn infolge einer Parlamentsreform ist die Zahl der Sitze in Abgeordnetenkammer und Senat um ein Drittel geschrumpft.

Lediglich 600 Parlamentssitze stehen diesmal zur Verfügung, bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren waren es noch 945. Insgesamt 75 Parteien wurden zugelassen. Es sind die ersten Wahlen in der republikanischen Geschichte Italiens, die im Herbst, statt wie traditionell im Frühjahr stattfinden.

Gina Lollobrigida: am Ende der Legislaturperiode wäre sie 100

Zu den Parteien zählt die Anti-Establishment-Bewegung „Italia popolare e sovrana“, die Italiens Filmlegende Gina Lollobrigida als Spitzenkandidatin ins Rennen schickt. Lollobrigida, lebende Filmikone neben Diven wie Sophia Loren und Claudia Cardinale, bewirbt sich um einen Sitz im italienischen Senat. „La Lollo“, wie sie in Italien liebevoll genannt wird, hat im Juli ihren 95. Geburtstag gefeiert.

Will mit 95 Jahren ins Parlament einziehen: Filmlegende Gina Lollobrigida.
Will mit 95 Jahren ins Parlament einziehen: Filmlegende Gina Lollobrigida. © Getty Images | Rosdiana Ciaravolo

Seit kurzem hat die ehemalige Schönheitskönigin, Filmschauspielerin und Fotografin einen Vormund, der ihr Vermögen verwaltet. Ihr Geisteszustand war in den italienischen Gazetten und in Fernsehprogramme rücksichtslos breitgetreten worden. Lollobrigidas Sohn behauptet, die Mutter sei nicht mehr ganz zurechnungsfähig, was junge Männer ausnützen würden, um an ihr Vermögen heranzukommen.

Die 1927 geborene Schauspielerin lässt sich nicht einschüchtern. Die Streitereien der Politiker habe sie bis obenhin satt, sie lasse sich von Mahatma Gandhi inspirieren, von dessen Art. Würde sie gewählt, wäre sie am Ende der Legislaturperiode 100.

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„Solange ich Energie habe, will ich sie für wichtige Sachen nutzen, vor allem für mein Land“, erklärte die Diva, die bereits 1999 eine Kandidatur ins EU-Parlament in den Reihen der Mitte-Links-Allianz um den Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi angestrebt hatte. Damals hatte sie 10.000 Stimmen erhalten, den Sprung ins Straßburger Parlament jedoch verfehlt.

Silvio Berlusconi: Der viermalige Premierminister versucht es noch einmal

Die Welt des Sports will im neuen Parlament in Rom stark präsent sein. Sollte alles nach Plan verlaufen, könnten gleich zwei Fußballclub-Präsidenten im neuen Parlament sitzen. Neben dem viermaligen Premier Silvio Berlusconi, langjährigem Eigentümer von AC Milan und jetzt Boss des lombardischen Provinzvereins Monza Calcio, will auch der Chef des Traditionsclubs Lazio Rom, Claudio Lotito, am Wahlrennen teilnehmen. Er kandidiert mit der Berlusconi-Partei Forza Italia.

Emerson Fittipaldi, ehemaliger Formel-1-Pilot, tritt für die rechtspopulistische Partei Fratelli d’Italia (FdI) an.
Emerson Fittipaldi, ehemaliger Formel-1-Pilot, tritt für die rechtspopulistische Partei Fratelli d’Italia (FdI) an. © picture alliance/dpa/CTK | Ondrej Hajek

Der ehemalige Formel-1-Pilot Emerson Fittipaldi hofft auf eine Zukunft als Parlamentarier der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia (FdI). Er könnte im Wahlkreis der südamerikanischen Auslandsitaliener gewählt werden, während die sechsmalige Florett-Olympiasiegerin Valentina Vezzali nach einer Erfahrung als Sportministerin als Spitzenkandidatin von Berlusconis Forza Italia um einen Sitz in der Abgeordnetenkammer buhlt.

Virologe Andrea Crisanti will die Impfgegner-Front zurückdrängen

Nach zwei harten Jahren Corona-Pandemie konnten viele Virologen in Italien einen regelrechten Starstatus ergattern. Seine erlangte Popularität will der Mikrobiologe und Universitätsprofessor Andrea Crisanti jetzt nutzen, um als Kandidat der Sozialdemokraten ins Parlament zu ziehen. Sein erklärtes Ziel ist, die Impfgegner-Front scharf anzugehen, die mit einer eigenen Partei ins Parlament drängen will.

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Auch der Virologe Pierluigi Lopalco geht als Kandidat für die Linkspartei „Articolo1“ins Rennen. Zentrale Vertreter der Impfgegner-Szene haben eine Gruppierung mit dem Namen „Vita“ (Leben) gegründet. Die neue Partei will sich gegen jede Form von Impfpflicht, gegen die Waffenproduktion und für eine Rückkehr zur währungspolitischen Souveränität Italiens einsetzen.

Die „Wiederherstellung der Souveränität, angefangen bei der Währungssouveränität bis hin zur Energie- und Ernährungssouveränität“ sind Hauptanliegen der neuen Partei, die von der norditalienischen Parlamentarierin Sara Cunial und anderen Impfgegner gegründet wurde. Die Gruppierung hofft, einige Vertreter ins neugewählte Parlament zu hieven.

Partei „Italexit“ will Italien aus der EU führen

Mit Stimmen von Impfgegnern und Kritikern der Corona-Maßnahmen rechnet auch die 2020 gegründete Partei „Italexit“ von Senator Gianluigi Paragone. Diese will Italien nach dem Vorbild des Brexit aus der EU führen.

Die einzige Partei, die keine Probleme mit der Verkleinerung des Parlaments hat, ist Fratelli d’Italia. Die Zahl der FdI-Parlamentarier, die in der nächsten Legislaturperiode gewählt werden, wird sich laut Umfragen voraussichtlich im Vergleich zum letzten Jahr verdreifachen. FdI-Chefin Giorgia Meloni machte sich auf die Suche nach angesehenen Persönlichkeiten, die ihrer Partei internationales Prestige verleihen können.

Zu ihnen zählen der Ex-Senatspräsident Marcello Pera, der ehemalige Richter Carlo Nordio und Ex-Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. Meloni, aufsteigender Stern in Europas Populisten-Firmament, kandidiert für einen Senatssitz in ihrer Heimatstadt Rom und könnte zu Italiens erster Premierministerin aufrücken.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.