Berlin. Ein Zeltbewohner hat Anspruch auf Heizbeihilfe vom Jobcenter. Nach Auffassung des Sozialgerichts Freiburg ist ein Zelt eine Unterkunft.

  • Vorwürfe gegen ein Jobcenter aus Baden-Württemberg
  • Ein in einem Zelt lebender Mann hat einem Hartz-IV-Empfänger wurde die Heizkostenbeihilfe abgelehnt
  • Der Mann klagte mit Erfolg gegen den Bescheid

In vielen deutschen Städten sieht man in öffentlichen Parks Zelte, in denen obdachlose Menschen schlafen, weil sie Schutz vor Kälte und Regen suchen. Handelt es sich dabei um Bezieherinnen oder Bezieher von Hartz IV, müssen sie nicht frieren – dies geht aus einem kürzlich veröffentlichten Beschluss des Sozialgerichts Freiburg hervor (Aktenzeichen: S 9 AS 84/22 ER). Zuvor hatte das Jobcenter einem wohnungslosen Mann die Zahlung einer Heizkostenbeihilfe abgelehnt – weil es ein Zelt nicht als Unterkunft anerkannte.

Wie das Sozialgericht Freiburg nun beschloss, können wohnungslose Hartz-IV-Empfänger vom Jobcenter eine entsprechende Beihilfe zum Heizen beanspruchen, wenn sie in den Wintermonaten in einem Zelt übernachten. Dabei gehe es um das "elementare menschliche Bedürfnis [...], sich durch eine künstliche Wärmequelle vor einer gesundheits- oder gar lebensgefährdenden Unterkühlung des Körpers zu schützen", argumentierte das Gericht.

Hartz IV: Jobcenter erkannte Zelt nicht als Unterkunft an

Geklagt hatte in Baden-Württemberg ein wohnungsloser Hartz-IV-Bezieher, der laut Gerichtsbeschluss in einem Zelt in einem Wald lebt. Das Jobcenter hatte ihm seit 2016 von Oktober bis März gegen Vorlage von Kaufbelegen monatliche Beihilfen zur Beheizung des Zelts bewilligt. Für die Heizperiode 2021/2022 lehnte das Jobcenter die Brennkostenbeihilfe allerdings ab. Als Begründung wurde angeführt, dass ein Zelt keine Unterkunft sei – unter anderem wegen fehlender Privatsphäre oder hygienischer Mängel. Daher seien entsprechende Aufwendungen auch nicht als Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu werten.

Das Jobcenter stützte sich unter anderem auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 7.3.2013, Az. L 3 AS 69/13 B ER) und ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 16.12.1994, Az. 6 S 1323/93): In ersterem wurde einem VW-Bus mit Schlafstätte der Unterkunftscharakter abgesprochen, im zweiten ausdrücklich einem Zelt.

Der Zeltbewohner trug daraufhin vor Gericht vor, dass er auf die Unterstützung durch das Jobcenter angewiesen sei, "da ihm bei Nichtgewährung Gefahr für Leib und Leben drohe". Das Sozialgericht hält den Antrag des Wohnungslosen für zulässig und "teilweise begründet": Demjenigen, der "kein Dach über dem Kopf" habe, gerade deshalb auch noch Leistungen zur Deckung des Heizbedarfs zu verwehren, liefe der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip "diametral zuwider". Es handle sich um einen Bedarf "von erheblichem grundrechtlichen Gewicht".

Sozialgericht: Jobcenter muss Zeltbewohner 50 Euro zum Heizen zahlen

Das Sozialgericht entschied, dass das Jobcenter dem Mann von Januar 2022 an bis zum voraussichtlichen Ende der Heizperiode monatlich gegen Nachweis einen Betrag von bis zu 50 Euro zahlen muss. Unbegründet sei der Antrag des Wohnungslosen nur für die bereits verstrichenen Monate Oktober bis Dezember 2021: "Für zurückliegende Zeiträume wird vorläufiger Rechtsschutz nämlich mangels Anordnungsgrundes nicht gewährt, wenn kein Nachholbedarf glaubhaft gemacht ist, der geeignet ist, die Sicherung des laufenden Unterhalts unmittelbar zu gefährden", heißt es dazu im Beschluss.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Heizkosten sorgen bei Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher immer wieder für Kopfzerbrechen – und zwar auch dann, wenn eine Unterkunft vorhanden ist. In welcher Höhe das Jobcenter die Heizkosten übernimmt, hängt oft vom Einzelfall ab. Nachzahlungen werden zwar in der Regel vom Amt getragen. Allerdings kann das Jobcenter unter Umständen verlangen, dass Betroffene ihre Kosten in den nächsten Monaten absenken.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.

(raer)