Washington. Mit dem Besuch in der Ukraine sendet Biden ein starkes Signal in Richtung Kreml. Doch in den USA könnte seine Unterstützung bröckeln.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts feiern die USA jeden dritten Montag im Februar ihre Präsidenten, vor allem den ersten: George Washington. Joe Biden, der 46. Inhaber der Schlüssel-Gewalt im Weißen Haus, hat den offiziellen Feiertag am Montag mit einer besonderen Nuance historisch aufgeladen.

Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat der 80-Jährige mit einer bis zur letzten Minute geheim gehaltenen Überraschungs-Visite in Kiew Kreml-Herrscher Wladimir Putin düpiert und demonstriert, was es heißt, wenn Amerika in widriger Zeit Standvermögen zeigt und die freie Welt anführt. Lesen Sie dazu: US-Präsident Joe Biden überraschend zu Besuch in Kiew

Joe Biden: Besuch ist klares Beistands-Bekenntnis

Die Bilder, wie Biden wie ein altväterlicher Freund an der Seite seines ukrainischen Gegenübers Wolodymyr Selenskyj umringt von Sicherheitsbeamten in Tarnfleck im strahlenden Sonnenschein an der mit goldenen Kuppeln verzierten St. Michaels-Kathedrale steht, während Luftsirenen-Alarm zu hören ist, sind eindrucksvoll und für die Ukraine moralisch von hohem Wert. Wir stehen euch bei. Wir helfen. Solange es nötig ist.

Dirk Hautkapp
Dirk Hautkapp © Privat

Mit seiner Botschaft, die nicht neu ist, aber an Ort und Stelle vorgetragen enorme zusätzliche Symbolkraft entfaltet, zementiert Joe Biden jedoch ein Beistand-Bekenntnis, das sich erst noch auf der Strecke beweisen muss. Darum gilt die bis zuletzt wie ein Staatsgeheimnis behandelte Zwei-Stunden-Visite in Kiew genauso dem heimischen Publikum zwischen Dallas und Denver.

Nato-Staaten müssen weiter Waffen und Munition liefern

Hier ist die rote Linie unverändert. Washington will unter allen Umständen vermeiden, in eine direkte militärische Auseinandersetzung mit Russland hineingezogen zu werden. Darum gehorchen sämtliche und sich inzwischen auf 115 Milliarden Dollar belaufenden Militär-, Wirtschafts- und Entwicklungshilfe-Maßnahmen für die Ukraine einem Ziel: Kiew soll, wenn es irgendwann zu Verhandlungen mit Putin kommt, aus einer selbstbewussten Position der Stärke agieren können.

Dazu braucht es einen langen Atem, weiter Geschlossenheit im westlichen Bündnis, beständige Lieferungen von effizientem Gerät und ausreichender Munition, um auf dem Schlachtfeld den Unterschied zu machen – und das alles nachhaltig und schnell.

USA: Biden braucht Unterstützung der Republikaner

Genau an dieser Stelle kann es für Biden und für Europa prekär werden, wenn dieser Krieg auch im zweiten (oder dritten?) Jahr kein Ende finden sollte. Biden hat nur noch 20 Monate bis zur nächsten Wahl. Schon die werden, was den Mittelabfluss Richtung Kiew angeht, nicht einfach. Bei den partiell erstarkten Republikanern gibt es nicht nur jene „Falken", die mit Solidaritätsnoten und festen Versprechen auf (noch) mehr Militär-Hilfe gerade die Münchner Sicherheitskonferenz geflutet haben.

Es gibt auch die für Mehrheitsbeschlüsse wichtigen Radikalen auf dem rechten Parteiflügel. Sie wollen mit Verweis auf die sachte aber beständig sinkende Zustimmung im Volk zur weltweit unerreichten Hilfe Washingtons für die Ukraine keine Blanko-Schecks mehr unterzeichnen. Schon gar nicht dann, wenn die USA im Sommer über den innenpolitischen Kampf um die Schuldenobergrenze in die Staatspleite rutschen könnte.

Käme es so, könnte Biden nicht mehr aus dem Vollen schöpfen und der Ukraine zügig immer neue Militär-Güter liefern. Ginge die Wahl 2024, für die sich Biden aller Voraussicht nach sehr bald bewerben wird, aus demokratischer Sicht schief, käme etwa der Republikaner, Putin-Versteher und Nato-Verächter Donald Trump wieder an die Macht oder ein anderer Isolationist/Nationalist, sähe es mit der ukrainischen Unabhängigkeit zappenduster aus.