Washington. Eine einzige Journalistin durfte den US-Präsidenten auf seiner geheimen Kiew-Visite begleiten. Die hatte eine überraschende Tarnung.

Wenn Sofia Siddiqui einmal groß ist, kriegt sie eine unglaublich klingende Geschichte erzählt; von der eigenen Mama. Neben dem AP-Fotografen Evan Vucci war Sabrina Siddiqui vom „Wall Street Journal” die einzige Journalistin, die unter extremsten Sicherheitsvorkehrungen Joe Biden auf seiner Blitzvisite von Washington ins ukrainische Kriegsgebiet nach Kiew begleiten durfte.

Der sonst stattliche Pool von White-House-Reporterinnen und -Reportern, der den Präsidenten für gewöhnlich auf Auslandreisen betreut, musste auf Drängen des Sicherheitsapparates zuhaus bleiben.

Bidens Kiew-Reise als Golf-Turnier getarnt

Die 36-jährige Journalistin mit indisch-pakistanischen Wurzeln war somit für Hunderte an das White House Press-Corps angedockte Journalisten weltweit am Montag Auge und Ohr auf einem historischen Trip, der für die junge Reporterin, die erst vor einem Monat den Mutterschaftsurlaub beendet hatte, am vergangenen Freitag mit einem Anruf aus der Regierungszentrale begann.

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Dort wurde Siddiqui diskret eröffnet, dass Biden nach Kiew fliegen wird. Zu absoluter Geheimhaltung verdonnert wurde der Reporterin und dem Fotografen gesagt, am Sonntagmorgen gegen 2 Uhr am Luftwaffenstützpunkt Andrews vor den Toren Washington zu sein. Nähere Informationen würden per E-Mail kommen. Unter der Tarn-Betreffzeile: „Instruktionen zur Ankunft für das Golf-Turnier”.

Journalistin Siddiqui: Handy für 24 Stunden eingezogen

In Andrews mussten die Medienvertreter ihre Handys abgeben (sie wurden erst nach circa 24 Stunden in der US-Botschaft in Kiew wieder ausgehändigt) und sich dazu verpflichten, bis zur Ankunft keine Zeile über Bidens riskante Reise in den Krieg in Echtzeit zu veröffentlichen.

Laut Siddiqui startete die kleinere Regierungsmaschine Air Force C-32, eine umgebaute Boeing 757, um 4.15 Uhr und landetet nach sieben Stunden Flugzeit auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zum Zwischentanken, bevor es weiterging ins polnische Rzeszów an der polnisch-ukrainischen Grenze. Das Call-Sign des Fluges, der zwischen Deutschland und Polen den Transponder ausgeschaltet ließ, lautete „Special Air Mission” (SAM060).

Joe Biden: Geheime Reise für fünf Stunden in Kiew

Von Rzeszów wurde Biden am Sonntagabend gegen 20 Uhr in einer großen Kolonne mit Geländewagen, Vans und anderen Fahrzeugen zum Bahnhof der etwa 90 Kilometer entfernten Stadt Przemysl gebracht; ohne Blaulicht, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

In Przemysl lotste man das Präsidenten-Fahrzeug quasi bis vor den Waggon des Zuges, der ihn binnen zehn Stunden nach Kiew bringen sollte. Biden reiste mit nur drei offiziellen Regierungsbegleitern. Das Gros des Zuges war mit Sicherheitskräften besetzt. Siddiqui und ihr Kollege bekamen jeweils eigene Schlafabteils zugewiesen. Bis hierhin bekamen sie Biden nicht ein einziges Mal zu Gesicht. Auch Hintergrund-Gespräche zur Vorbereitung mit dem ebenfalls anwesenden Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan fielen aus.

Am Montagmorgen um 8.00 Uhr Ortszeit war der Trip, der ereignislos blieb, geschafft. Biden stieg aus dem Zug und sagte: „Es ist gut, wieder in Kiew zu sein.” Ab da tickerte Siddiqui ihre kurzen Bulletins vom Geschehen in der ukrainischen Hauptstadt. Fünf Stunden später ging es auf dem gleichen Weg wieder zurück nach Polen. Und Sabrina Siddiqui, das war die einhellige Meinung der White-House-Pool-Abonnennten, hat einen „Riesen-Job gemacht”.