Washington. John Bolton hat ein Enthüllungsbuch über Donald Trump geschrieben – mit brisanten Details. Trump wollte angeblich Wahlhilfe von China.

Das mit Spannung erwartete Enthüllungsbuch seines ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton auf dem Klageweg zu stoppen, ist US-Präsident Donald Trump nicht gelungen: An diesem Dienstag erscheint „Der Raum, in dem es geschah – Memoiren aus dem Weißen Haus“ („The Room Where It Happened – A White House Memoir“).

Schon vor der Veröffentlichung hatte sich Amerika mit Genuss und Befremden über die durchgesickerten Details gebeugt. Sie rücken den Präsidenten der Vereinigten Staaten in ein katastrophales Licht. Mehrere führende US-Zeitungen zitierten aus ihren zur Verfügung gestellten Vorab-Exemplaren des knapp 600 Seiten starken Werks. Das „Wall Street Journal“ druckte sogar ein Kapitel ab.

John Boltons Enthüllungsbuch ist nicht einzige

Das Weiße Haus schäumte und strengte eine Eilverfügung an, um die Verbreitung der Schrift noch zu verhindern und Bolton in Regress zu nehmen – ohne Erfolg. Und die Bolton-Memoiren sind nicht das einzige Buch mit brisanten Details, das auf den Markt kommt. Ende Juli bringt die Nichte von Donald Trump, Mary Lea Trump, „Zu viel und nie genug – Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt geschaffen hat“ heraus. Es soll ein Frontalangriff sein.

John Bolton wirft Donald Trump Amtsmissbrauch vor

Neben dem Befund, dass Trump „erratisch” und „atemberaubend uniformiert” ist (er fragte einmal, ob Finnland zu Russland gehört und war überrascht, als ihm zugetragen wurde, dass Großbritannien die Atombombe besitzt …), wirft Bolton in „Der Raum, in dem es geschah“ – gemeint ist das Oval Office, die Schaltzentrale des amerikanischen Präsidenten – seinem früheren Arbeitgeber massiven Amtsmissbrauch vor.

Danach seien sämtliche Entscheidungen Trumps allein von dessen Wiederwahl-Kalkulationen getrieben gewesen. „Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, in dem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt oder durch das Erfinden von Ausreden, um das Verfolgen persönlicher Interessen unter dem Vorwand der Interessen des Landes voranzutreiben”, doziert Bolton dazu an einer Stelle.

Dass Trump der Ukraine dringend gegen Russland benötigte Militärhilfe in dreistelliger Millionenhöhe solange versagten wollte, bis die Regierung in Kiew „Dreck” zutage fördert, der seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden beschädigt (Gegenstand des im Winter gescheiterten Amtsenthebungsverfahrens), sei kein Einzelfall gewesen.

US-Präsident soll China um Hilfe gebeten haben

Donald Trump und Xi Jinping in Peking im Jahr 2017.
Donald Trump und Xi Jinping in Peking im Jahr 2017. © AFP | Nicolas Asfouri

Bolton, der als Nationaler Sicherheitsberater zwischen April 2018 und seinem Rücktritt September 2019 nahezu täglich engsten Kontakt mit Trump hatte und oft unmittelbarer Augen- und Ohrenzeuge war, beschreibt etwa, wie der Präsident sein chinesisches Gegenüber Xi Jinping 2019 beim G20-Gipfel im japanischen Osaka bedrängt habe, „seinen Sieg sicherzustellen” bei der US-Wahl in diesem November.

Wie? Indem Peking massiv Produkte wie Soja und Weizen von US-Landwirten kauft. Das würde seine Chancen, in den betroffenen Bundesstaaten zu siegen und eine zweite Amtszeit zu erringen, entscheidend beeinflussen, zitiert Bolton den Präsidenten sinngemäß.

Die exakten Worte Trumps könne er nicht schreiben, weil der Gegenleser der Regierung (Bolton musste wie üblich in solchen Fällen das Manuskript vorher aushändigen, worüber es aber ungelösten Streit gibt) dies beanstandet habe.

Noch erschreckender: Als Xi bei einer Privat-Unterredung Trump erläutert habe, warum Peking die muslimische Minderheit der Uiguren in Konzentrationslager steckt, habe Trump dies gutgeheißen. „Laut unserem Dolmetscher sagte Trump, dass Xi den Bau der Lager vorantreiben solle und dass er denke, das dies genau das Richtige sei”, heißt es in Boltons Buch. Trump wies Boltons Vorwürfe nach Bekanntwerden zurück.

„Der labert nur Scheiße“: Pompeo über Trump

Weil Trump strafrechtliche US-Ermittlungen etwa gegen die türkische „Halkbank“ auf direkte Intervention von Präsident Erdogan unterlaufen habe und „Diktatoren, die er mochte, persönliche Gefallen zu tun bereit war”, spricht Bolton Trump ein „Verhaltensmuster” zu, das „nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aussah”.

Warum sieht Trump so merkwurdig aus

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    Der 71-Jährige, der bereits unter Präsident George W. Bush diente und lange US-Botschafter bei den Vereinten Nationen war, will darüber mehrfach mit Justizminister Bill Barr gesprochen haben. Unvorteilhaft ist das Buch, auch für andere amtierende Kabinettsmitglieder.

    Etwa Außenminister Mike Pompeo, der gern Trumps größten Fan und bedingungslosen Erfüllungsgehilfen gibt. Während des ersten, substanzlos ausgegangenen Gipfels mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un 2018 in Singapur habe Pompeo Bolton eine auf Trump gemünzte handschriftliche Notiz zugesteckt. Inhalt wörtlich übersetzt: „Der labert nur Scheiße.” Trumps Versuche, Pjöngjang zur Aufgabe von Atomwaffen zu bewegen, so der US-Chef-Diplomat, hätten „null Wahrscheinlichkeit auf Erfolg”.

    Trump: In Venezuela einmarschieren wäre „cool“

    Weitere Goldnuggets aus dem Buch:

    • Geheimdienst-Briefings für Trump waren „Zeitverschwendung”, weil meistens Trump geredet habe anstatt zuzuhören. In Venezuela einzumarschieren wäre „cool”, weil das Land „ja wirklich ein Teil der Vereinigten Staaten ist”, fand Trump.
    • Zu Xi Jinping sagte Trump, dass er in Amerika bedrängt würde, die Verfassung zu ändern, um mehr als zwei Amtszeiten absolvieren zu können. Seinen Schwiegersohn Jared Kushner beauftragte Trump mehrfach an allen Verantwortlichen vorbei mit dubiosen diplomatischen Sonder-Missionen, die für großen Unmut sorgten.
    • Hinter Trumps Rücken mokierten sich selbst engste Mitarbeiter regelmäßig über den Präsidenten. Viele Top-Offizielle, etwa der geschasste Stabschef General John Kelly, hätten sehr früh mit Rücktritt geliebäugelt, weil sie es nicht mehr aushielten.
    • Journalisten nannte Trump „Dreckskerle”, die ins Gefängnis gehörten, damit sie ihre Quellen offenbarten. „Diese Leute sollten hingerichtet werden”, sagte Trump einmal laut Bolton wörtlich.

    John Bolton soll zwei Millionen für Buch bekommen haben

    John Bolton wurde für seine Enthüllungen gut entlohnt.
    John Bolton wurde für seine Enthüllungen gut entlohnt. © AFP | LOGAN CYRUS

    Geschmälert wird Boltons vom Verlag Simon & Schuster angeblich mit zwei Millionen Dollar Honorar vergütete Offenherzigkeit in politischen Kreisen durch den Umstand, dass sich der in Baltimore/Maryland geborene Beamte in der Ukraine-Affäre einer Zeugenaussage im Kongress hartnäckig entzog.

    Bolton behauptet in seinem Buch, dass die federführenden Demokraten nicht gut beraten gewesen seien, sich allein wie in einem „Blitzkrieg” auf das Thema Ukraine zu stürzen – obwohl Bolton die von der Opposition gemachten Vorwürfe, die Trump als Verschwörung gegen ihn abtut, komplett bestätigt hat. „Bei einer systematischeren Recherche über Trumps Gebaren in der gesamten Außenpolitik wäre der Ausgang des Amtsenthebungsverfahrens vielleicht ein anderer gewesen”, sagt Bolton.

    Kim Jong Un sollte mit CD von Elton John besänftigt werden

    Kurioses Detail am Rande: Um Nordkoreas Diktator Kim Jong Un zu besänftigen, den Trump einmal herablassend „Little Rocket Man” genannt hatte, sollte Außenminister Pompeo Kim persönlich eine mit dem Autogramm von Elton John versehene CD seines Erfolgsalbums „Rocket Man” überreichen.

    Damit sollte Kim überzeugt werden, dass Trump die flapsige Formulierung „aus Zuneigung“ gewählt habe. Pompeo erledigte den Auftrag nicht. „Die CD zu Kim zu bringen“ schreibt Bolton, „hatte für mehrere Monate hohe Priorität.“

    • Wann und in welchem Verlag John Boltons Buch auf Deutsch erscheint, ist noch nicht bekannt