Berlin. 9,60 Euro beträgt der Mindestlohn. Doch nicht alle Arbeitgeber halten sich daran. Der Zoll ermittelte 2021 in mehr als 3000 Fällen.

Seit 2015 gibt es in Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn. 9,60 Euro dürfen Beschäftigte im zu Ende gehenden Jahr pro Stunde minimum erhalten, 2022 steigt der Mindestlohn zunächst auf 9,82 Euro an, ehe die Ampel-Koalition ihn auf 12 Euro anheben möchte. Doch selbst an den bisherigen Mindestlohn halten sich nicht alle Arbeitgeber. In mehr als 3000 Fällen wurde im laufenden Jahr bereits wegen Verstößen ermittelt.

Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine schriftliche Frage von Bernhard Daldrup, Sprecher für Bauwesen und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion, hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Mindestlohn: 12,5 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt

Für die Verfolgung von Mindestlohnverstößen ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltungen zuständig – und diese musste bis Ende November laut Bundesfinanzministerium insgesamt 3083 Ermittlungen einleiten. Dabei seien rund 12,5 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt worden.

Erhöht haben sich nach den Angaben des Bundesfinanzministeriums die Kontrollen zur Schwarzarbeit. Bis zum 30. November wurden demnach 45.171 Arbeitgeberprüfungen durchgeführt – im gesamten Vorjahr waren es lediglich 44.702 Kontrollen. Insbesondere zu Beginn der Pandemie fanden weniger Kontrollen statt – auch weil einige Länder ihre Kontrolleure ins Homeoffice schickten.

„Bundesarbeits- und Bundesfinanzministerium dürfen bei den Kontrollen im Zuge der Erhöhung des Mindestlohns keinesfalls nachlassen – im Gegenteil, sie müssen die Kontrollen verschärfen“, sagte SPD-Politiker Daldrup unserer Redaktion. Alle Arbeitgeber müssten wissen, dass das Mindestlohngesetz hohe Strafen bei Verstößen vorsehe.

Bau bleibt eine Problembranche

Eine Problembranche bleibt den Daten des Bundesfinanzministeriums zufolge der Bau. Bis Ende November hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Bauhaupt- und nebengewerbe mit 12.426 Arbeitgeberkontrollen mehr als ein Viertel aller Schwarzarbeit-Kontrollen durchgeführt.

Auch von den Mindestlohnverstößen ist die Baubranche demnach stark betroffen. 816 der 3083 Ermittlungsverfahren fanden im Bauhaupt- und Baunebengewerbe statt, es wurden 3,88 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt.

IG-BAU-Chef warnt vor „Placebo-Kontrollen“

Der Bundesvorsitzende der Bau-Gewerkschaft IG BAU, Robert Feiger, forderte angesichts der Verstöße einen höheren Kontrolldruck. „Es gibt ein zu kleines Kontroll-Risiko für Arbeitgeber. Die Gefahr, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, ist für Arbeitgeber nur gering“, sagte Feiger unserer Redaktion.

Er warnte davor, dass sich das Problem verschärfen werde, wenn im kommenden Jahr der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werde. „Wenn es bei der bisherigen Kontrollaktivität, wie wir sie in diesem Jahr und in den Vorjahren erlebt haben, bleibt, dann kann man bald bestenfalls nur noch von ‚Placebo-Kontrollen‘ mit definiertem Minimal-Risiko für Arbeitgeber sprechen, die Menschen im Niedriglohnbereich für sich arbeiten lassen“, sagte Feiger.

IG-BAU-Chef Robert Feiger fordert mehr Kontrollen.
IG-BAU-Chef Robert Feiger fordert mehr Kontrollen. © imago images/Carmele/tmc-fotografie.de | imago stock

Ampel will Mindestlohn auf 12 Euro anheben

Die Ampel-Koalition hat sich darauf verständigt, den Mindestlohn in einem einmaligen Schritt auf 12 Euro anzuheben, ehe die Mindestlohnkommission wieder über regelmäßige Anpassungen entscheiden wird. Gewerkschaften begrüßen die Pläne, von Arbeitgebern gibt es Kritik. Laut dem Statistischen Bundesamt würden 7,2 Millionen Beschäftigte von der Anhebung profitieren. Damit allerdings steige der Kontrollbedarf, mahnte Feiger.

Für viele Arbeitgeber werde die derzeit geringe Kontrolldichte eine Einladung sein, systematisch „Mindestlohn-Trickserei“ zu betreiben. Feiger sprach sich für eine personelle Aufstockung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und eine Erhöhung der Bußgelder aus. Zudem müsse eine „schlagkräftige“ Arbeitsinspektion geschaffen werden, bei der die Verfolgung der Verstöße gegen sämtliche Arbeitsschutzvorschriften gebündelt werden würden.