Berlin. Die Tinte ist noch nicht trocken – schon fordern die Grünen, das Klimapaket zu verschärfen. Doch die Akzeptanz könnte schnell sinken.

Von Frankreichs Präsident Charles de Gaulle stammt der Satz: „Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ Sicher hat der alte General damit nicht die Klimapolitik der Bundesregierung gemeint. Aber man kann diese politische Weisheit sehr gut auf die Beschlüsse der großen Koalition beziehen.

Zu lasch, zu teuer: Das Klimapaket zu kritisieren, ist leicht

Ja, natürlich es ist leicht, das Klimapaket der Regierung zu kritisieren. Zu scharf, zu lasch, zu teuer, zu billig – geschenkt. Wie sollen auch alle widersprechenden Bedürfnisse, Ansichten und Betroffenheiten in dieser Frage unter einen Hut passen? Und ja, mit den vielen Milliarden der deutschen Steuerzahler hätte man in stärker verschmutzten Gegenden der Erde sicher noch mehr für das Klima herausholen können.

Aber im Ernst: Wie glaubwürdig könnte Politik noch sein, wenn in Deutschland mal wieder zuerst mit dem Finger auf die andere Seite der Erdkugel gezeigt würde? Bei der Bekämpfung des weltweiten Klimawandels ist der Bewusstseinswandel mindestens so wichtig wie konkrete Maßnahmen zum Schutz der Umwelt.

Der Bewusstseinswandel beginnt bei jedem Einzelnen

Und dieser Bewusstseinswandel kann nur vor Ort und bei jedem Einzelnen beginnen. Überall auf diesem Planeten. Das ist die Krux und gleichzeitig die Chance, wenn über zehn Milliarden Menschen diese wunderbare Erde noch eine Weile einigermaßen angenehm bewohnen wollen. Dass die Tüftler-Nation Deutschland mit ihrem Know-how und ihrem Erfindergeist am Ende aus dem Kampf gegen den Klimawandel noch feine Produkte und ein exzellentes Geschäft machen kann, darf als sicher gelten.

Jetzt ist die Tinte unter der gemeinsamen Erklärung des Klimakabinetts noch nicht einmal trocken, da wollen die Grünen die Maßnahmen im Klimapaket gleich noch verschärfen. Mit guten Umfragen im Rücken und Hunderttausenden Umweltfreunden auf den Straßen „geht da noch was“, mag man sich in der grünen Parteiführung gesagt haben. Wenn das mal kein Trugschluss ist.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Privat | Privat

Nicht jeder Demonstrant ist automatisch ein Grüner

So wie nicht jeder Einwanderungsskeptiker automatisch AfD wählt, ist nicht jeder Demonstrant vom vergangenen Freitag automatisch ein Grüner. Und wer jetzt versucht, im Bundesrat mit einem Vetorecht das beschlossene Paket auszuhebeln und mehr zu wollen, überfordert sicher viele Menschen. Es ist doch kein schlechtes Zeichen, wenn eine deutliche Mehrheit der Bürger die meisten der beschlossenen Maßnahmen gut findet – obwohl man weiß, dass sie am Ende bares Geld kosten.

Dieser erste Trend zeigt, dass die Deutschen offenbar doch nicht nur reden, sondern tatsächlich bereit sind, zu handeln. Das ist eine gute Basis für die nächsten notwendigen Schritte und ein beeindruckendes Signal an die ganze Welt. Daher wäre es ein Fehler, jetzt gleich draufzusatteln und die Akzeptanz vieler Bürger für eine notwendige Veränderung zu zerstören.

Harte Positionen haben Grüne bei Jamaika-Verhandlungen schnell geräumt

Deutschland geht nach vielen Jahren Stillstand einen bemerkenswerten Schritt, und das ist gut so. Das sollten auch die Grünen wertschätzen und sich konstruktiv zeigen. Oder hat da jemand Sorge, dass ihm das Gewinnerthema abhandenkommt, wenn der politische Gegner in Sachen Umweltschutz auf Zustimmung trifft?

Sollte das so sein, sei dezent daran erinnert: In den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen nach der Bundestagswahl waren manche grünen Positionen überraschend schnell geräumt. Viel schneller, als einigen Grünen-Wählern lieb war. Wer gefühlt schon an der Macht ist, tut sich offenbar leichter mit Kompromissen.