Berlin. Russlands Bedeutung für den Klimaschutz ist enorm. Seine Bereitschaft zu kooperieren umso kleiner. Die Weltgemeinschaft muss handeln.

Russlands Krieg gegen die Ukraine lähmt die internationale Politik über den Konflikt in Osteuropa hinaus. Kremlherrscher Wladimir Putin und seine Regierung haben nicht nur im Krisenstaat Syrien ihre Hände im Spiel, auch der Einfluss Moskaus auf den Iran ist von großer Bedeutung für die stockenden Bemühungen um eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit Teheran. Ob Europa, Naher Osten, Asien oder Afrika: Russland mischt an zahlreichen Krisenherden mit. Aus Sicht des Westens in der Regel zum Nachteil von Sicherheit und Stabilität.

Doch nicht nur geostrategisch ist Russland ein entscheidender Akteur: Auch beim Klimaschutz kommt es auf das flächenmäßig größte Land der Erde entscheidend an. War die Zusammenarbeit in dem Bereich schon vor Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine schwierig, sind die Aussichten auf ein mit Moskau abgestimmtes Vorgehen gegen die Erderwärmung seither mehr als finster.

Russland will mit Energiekrise Druck erzeugen

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© Jan Dörner,

Hinzu kommt: Als Ausweg aus der von Russland gezielt eingesetzten Energiekrise nutzen europäische Länder wie Deutschland nun länger als geplant die massiv klimaschädliche Kohlekraft oder das unter umweltzerstörenden Umständen gewonnene Schiefergas aus den USA.

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Die Unsicherheit über unsere Versorgung mit Energie ist über den kommenden Winter hinaus groß. Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf im Schatten des Konflikts mit Russland jedoch nicht hintangestellt werden mit dem Argument, dass sich der nun im Eiltempo vorangetriebene Aufbau einer Infrastruktur für Flüssiggas sonst nicht lohne. Der schnelle Wandel unserer Energieversorgung dient außerdem nicht nur dem Klimaschutz: Auch strategisch ist es wichtig, sich von fossilen Energien und ihren Lieferanten so unabhängig wie möglich zu machen.

Aktivisten von Greenpeace haben den Kohlefrachter
Aktivisten von Greenpeace haben den Kohlefrachter "Grand T", der mit russischer Kohle beladen auf dem Weg in den Hamburger Hafen ist, mit dem Schriftzug "No coal no war" (keine Kohle, kein Krieg) versehen. © dpa | Daniel Bockwoldt

Öl und Gas füllen Putins Kriegskasse

Russlands zählt nicht nur zu den größten Lieferanten von Energie, sondern auch zu den größten Konsumenten: Nach China, den USA und Indien ist Russland der viertgrößte Emittent von klimaschädlichem CO2 und steht für etwa fünf Prozent des weltweiten Ausstoßes. Das Land besitzt die wohl größten Vorräte fossiler Energie der Erde und macht davon nicht nur als Exporteur ausgiebig Gebrauch.

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Industrie, Gebäude und Infrastruktur sind großteils veraltet und von europäischen Klimaschutzstandards weit entfernt. Da die riesigen Öl- und Gasvorkommen aber nicht nur Milliarden einbringen und so Putins Kriegskasse füllen, sondern auch billige Energie zum Eigenverbrauch liefern, ist die Lust zum Ausbau erneuerbaren Energien in Russland gering.

Der Permafrost taut, Russlands Wälder brennen

Um die Erderwärmung einzugrenzen, braucht es jedoch auch die Bereitschaft Russlands. Zumal im Boden des Landes neben Öl und Gas eine weitere Gefahr für das Weltklima schlummert: Durch die Erderwärmung tauen die Permafrostböden auf, die einst ganzjährig zwei Drittel des Landes ausmachten. Das Sterben des ewigen Eises setzt Treibhausgase frei, die den Klimawandel verschärfen. Die russischen Wälder sind immens, für das Weltklima sind sie unverzichtbar. Riesige Brände richteten in den letzten Jahren jedoch verheerende Schäden an – wodurch wiederum der Permafrost verwundbarer wird. Ein Teufelskreis.

Bild eines Waldbrands in Russland.
Bild eines Waldbrands in Russland. © dpa | Uncredited

Der Klimawandel erlaubt es nicht, auf Russland zu warten. Die Weltgemeinschaft muss ihre Anstrengungen verstärken in der Hoffnung, dass das Riesenland unter dem Druck der Erderwärmung zu einem Kurs der Kooperation findet. Das gilt nicht nur für die Großverschmutzer China, USA und Indien – sondern auch für Deutschland und den Rest der EU.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.