Berlin. Erwachsene fühlen sich wegen des Ukraine-Kriegs oft hilflos. Die Kinder gehen besser damit um – oft mit überraschenden Strategien.

Zwei Tage nachdem Putins Truppen die Ukraine angegriffen haben, kam meine Tochter aus der Schule und sagte: „Putin ist ein richtig kleines Schwein!“

Die Klassenlehrerin hatte sich Zeit genommen, zwei Stunden lang hatte sie am Morgen versucht, zu erklären, was jetzt gerade in Ukraine passierte. Und ich bin dankbar gewesen, dass die Lehrerin diese Aufgabe übernommen hat – aber das heißt auch, ihre Erklärungen zu akzeptieren.

Putins Krieg: Meine Tochter hat den russischen Präsidenten durchschaut

Ich fragte meine neunjährige Tochter, wie sie darauf käme, nun, dass Wladimir Putin einem rosa Tier mit Rüsselschwanz ähnle. Ihre Erklärung: „Unsere Lehrerin sagt, dass Putin sich wohl von der Nato bedroht fühlt, und deshalb die Ukraine wieder zurückhaben will. Aber das glaube ich ihm nicht. Er hat doch jetzt schon das größte Land der Welt. Warum fühlt er sich bedroht? Und was will er denn noch mit dem Land, wenn alle Häuser kaputt sind? Das kostet doch Millionen, das alles wieder aufzubauen. Und warum erschießt er dann die Ukrainer?!“ Ich war beeindruckt, wie schnell das Kind den Fehler in der Argumentation für Kriege generell entdeckt hatte.

Die Kinder malten Friedenstauben, Peace-Zeichen und Ölzweige im Kunstunterricht. Die ganze Symbolik der Friedensdemonstrationen der 80er-Jahre wurde wieder ins pädagogische Programm aufgenommen.

Statt „We will rock you!“ singen die Kinder „Wir wollen Frieden!“

Im Musikunterricht singen die Kinder meist einen sogenannten „Erfrischer“, ein Lied zur eingängigen Melodie von Queens „We will rock you“. Hilft gegen Müdigkeit.

Das geht dann so: „Wir wollen, wir wollen, wir wollen, Rhythmus! Rhythmus! Fühlst du diesen Beat, dann stampf mit dem Fuß.“

In diesen Tagen haben die Kinder den Reim verändert in: „Wir wollen, wir wollen, wir wollen, Frieden! Frieden! Verstehst du diesen Krieg, ich zumindest nicht!“

All das plappert meine Tochter einfach so raus – nach der Schule. Und das ist gut.

Ukraine-Krieg: Das Bild der blutenden Schwangeren geht mir nicht aus dem Kopf

Ich bin traurig für sie, dass sie sich damit beschäftigen muss, aber auch stolz auf die Kinder, weil sie das Thema „Krieg“ angehen, sich damit beschäftigen und das Unrecht fühlen. Ich als Erwachsene fühle oft Ohnmacht, wenn ich die Bilder sehe, die Videos laufen lasse. Ein Bild einer blutenden schwangeren Frau, die aus der bombardierten Geburtsklinik in Mariupol getragen wurde, geht mir nicht aus dem Kopf. Die Frau und ihr Baby sind eine halbe Stunde nach ihrer Rettung gestorben. Wenn ich Stings „Russians“ und den Refrain „I hope the Russians love their children too“ höre, dann frage ich mich das wirklich.

Gestern blieb ich an einem Bild von den Klitschko-Brüdern hängen, die inmitten der Trümmer stehen. Wladimir blickt leer auf ein zerstörtes Wohnhaus, sein Bruder Vitali, der Bürgermeister von Kiew, umarmt eine weinende ältere Frau. Sie vergräbt ihren Kopf an seiner Brust. Es ist so viel Zärtlichkeit und Verzweiflung in diesem Moment, dass es wehtut.

Ukraine: Die Schule sammelte Geld und Spenden

Autorin Diana Zinkler schreibt alle zwei Wochen in der Kolumne „Mein Morgenland“ über die Gesellschaft und das Deutschland von morgen.
Autorin Diana Zinkler schreibt alle zwei Wochen in der Kolumne „Mein Morgenland“ über die Gesellschaft und das Deutschland von morgen. © FMG | FMG

Die Schule hat Geld und Spenden für ukrainischen Flüchtlinge gesammelt. Tagelang gab es kein anderes Thema, im Supermarkt wählte meine Tochter sorgsam ab. Sollte man besser eine vegetarische Dosensuppe spenden. Binden oder Tampons? Vollkornkekse oder lieber Schokolade für die Kinder? In der Schule kamen so 3000 Euro zusammen und 60 sorgsam verpackte Kartons mit Keksen, Suppen, Spielzeug, Kleidung, Duschgel, Tampons, Binden und Deodorant.

Seit letzter Woche geht André aus Kiew in ihre Klasse. Am zweiten Tag wollte er schon den ganzen Unterricht mitmachen. Am dritten Tag bepöbelten ihn ältere Jungs auf dem Pausenhof. Seine neuen Klassenkameraden liefen aus allen Richtungen auf den Neuen zu, um ihm zu helfen. Die Kinder sind in Ordnung.

Dieser Artikel ist zuerst auf Waz.de erschienen.