Berlin. Dass es zwischen den Regierungsparteien und der Opposition manchmal knallt, ist normal. Aus Sicht einer führenden Unionspolitikerin haben die Ampel-Pläne zur Wahlrechtsreform nun aber das Klima vergiftet.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Andrea Lindholz, sieht für die FDP harte Zeiten anbrechen. „Meiner Ansicht nach hat sich die FDP mit ihrer Entscheidung für die Ampel-Koalition erheblich verkalkuliert“, sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. Das könne man bedauern, doch die FDP sei für ihr Glück letztlich selbst verantwortlich. „Da kommen harte Zeiten auf die Liberalen zu, nach dieser Wahlrechtsreform sowieso“, prophezeite die Innenpolitikerin. „Denn es ist doch klar, dass wir jetzt eine knallharte Erst- und Zweitstimmenkampagne machen werden bei der nächsten Bundestagswahl.“

Die im Bundestag am 17. März mit den Stimmen der Ampel-Koalition verabschiedete Wahlrechtsreform führe dazu, dass von Direktkandidaten gewonnene Wahlkreise gegebenenfalls nicht zugeteilt würden, sagte Lindholz. Das und die auf den letzten Metern in den Entwurf eingefügte Streichung der Grundmandatsklausel seien inakzeptabel. Das Verfahren sei von den Koalitionären mit einer „Basta-Mentalität“ durchgezogen worden. „Den Entwurf, über den die Ampel-Koalition am Freitag abstimmen ließ, haben wir am Montagabend zum ersten Mal gesehen.“ Dieser „Basta“-Stil habe Konsequenzen, auch jenseits des Streits um das Wahlrecht. Lindholz sagte: „So hat sich das Klima auch untereinander dadurch natürlich erheblich verschlechtert.“ Die Stimmung sei teilweise „regelrecht vergiftet“.

Die Wahlrechtsreform im Überblick

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte eine Wahlrechtsreform beschlossen, um den auf 736 Abgeordnete aufgeblähten Bundestag dauerhaft auf 630 Abgeordnete zu verkleinern. Die sogenannte Grundmandatsklausel soll entfallen. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzogen, wenn sie unter fünf Prozent lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Davon profitierte 2021 die Linkspartei, die nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreicht hatte. Die CSU kam für sich gesehen 2021 auf 5,2 Prozent, gewann aber fast alle Direktmandate in Bayern. CSU und CDU bilden im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft.

Die FDP setze darauf, den Eindruck zu vermitteln, sie habe in der Koalition mit SPD und Grünen „noch Schlimmeres verhindert“, sagte Lindholz. Doch dafür werde niemand gewählt. Viele junge Wähler hätten bei der Digitalisierung auf einen Schub durch die FDP gehofft, „aber da passiert ja gar nichts im Moment“, kritisierte die CSU-Politikerin. Seit der Bildung der Ampel-Koalition war es bei den Landtagswahlen für die FDP schlecht gelaufen. Zuletzt flog sie bei der Wiederholungswahl in Berlin aus dem Abgeordnetenhaus.

Die Union hatte es in der eigenen Hand

Union und SPD hatten in der zurückliegenden Wahlperiode eine Reform beschlossen, die ebenfalls eine Verkleinerung des Bundestages zum Ziel hatte. Aus Sicht der Ampel-Koalition war dieser Plan jedoch zu wenig ambitioniert. Außerdem argumentierten Politiker von SPD, Grünen und FDP gegen die darin vorgesehene Reduzierung der Zahl der Wahlkreise.

„Ich habe völliges Verständnis dafür, dass es beim Wahlrecht Änderungen braucht“, sagte Lindholz. Die Union müsse dabei auch selbstkritisch sein. „Es wäre besser gewesen, wir hätten unsere Reform, nämlich die Reduzierung auf 280 Mandate plus drei Überhangmandate, die nicht ausgeglichen werden, frühzeitiger beschlossen. Dann wäre auch der Neuzuschnitt der Wahlkreise schon zur letzten Bundestagswahl abgeschlossen gewesen. Dass die von der Ampel-Koalition beschlossene Reform vor dem Bundesverfassungsgericht halten wird, glaube sie nicht.