London. Liz Truss könnte Nachfolgerin des britischen Skandal-Premiers Boris Johnson werden. Sie macht keinen Hehl daraus, wer ihr Vorbild ist.

Wer das Vorbild von Liz Truss ist, darüber will sie keine Zweifel aufkommen lassen. Eine solch überzeugte Anhängerin Margaret Thatchers ist die Anwärterin aufs höchste Amt, dass sie sich gern mal deren Kleider anzieht. An der ersten Fernsehdebatte der Kandidaten trug Truss einen schwarzen Sakko und ein weißes Hemd mit einer riesigen Schleife – ganz so wie die Iron Lady in einer Fernsehansprache 1979, wie die argusäugige britische Presse feststellte.

Zuvor hatte die medienaffine Truss bereits das ikonische Bild Thatchers auf einem Panzer nachgestellt. So wie ihr Aussehen ist auch ihre Politik: Truss, in Großbritannien bislang Außenministerin im Kabinett von Boris Johnson, ist die Koryphäe der rechten, libertären Tories. Jetzt hat sie beste Chancen, Nachfolgerin des skandalumwobenen Premiers Johnson zu werden.

Fünf Jahre älter als Rishi Sunak, studierte sie genau dasselbe wie ihr Rivale, am gleichen Ort: Politik, Philosophie und Ökonomie in Oxford. Zunächst war sie Mitglied der Liberaldemokraten, aber zum Ende ihres Studiums hatte sie sich den Tories angeschlossen. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Managerin beim Ölkonzern Shell, danach bei einem Telekom-Unternehmen.

Tiefe Steuern, wenig Regulierung, freie Märkte – diesen Kurs verfolgt Liz Truss

Früh hatte sie politische Aspirationen: 2001 trat sie erstmals als Parlamentskandidatin an, dann erneut 2005, beide Male erfolglos. Aber in der Parteizentrale sah man in ihr offensichtlich eine Politikerin mit Potenzial, sie wurde sie für einen sicheren konservativen Sitz nominiert und gewann. Seit 2010 sitzt sie im Unterhaus.

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Zwei Jahre später war sie Mitverfasserin eines Buches, in dem sie ihr ideologisches Programm festhielt: Tiefe Steuern, wenig Regulierung, freie Märkte – der Traum der Libertären. Zur gleichen Zeit begann sie auch Regierungserfahrung zu sammeln, sie wurde zur Staatsministerin im Bildungsministerin ernannt, später wechselte sie an die Spitze des Umweltministeriums.

In jener Funktion hatte sie auch einen ihrer Auftritte, über den sich ihre Gegner noch heute freuen: An der Parteikonferenz 2014 hielt sie eine bizarre, hölzern vorgetragene Rede, in der sie sich mit Herzblut für weniger Käseimporte einsetzt. Selbst einer ihrer ehemaligen Berater soll die Ansprache als „episch schlecht“ bezeichnet haben.

Die Brexit-Hardlinerin ist bei der Parteibasis beliebt

Noch immer ist Truss keine geschliffene Rednerin – ein Manko, dessen sie sich selbst bewusst ist. Aber in den Augen ihrer Anhänger macht sie dies durch ihr politisches Programm mehr als wett. Im EU-Referendum stimmte sie zwar für „Remain“, aber seither redet sie dem Brexit das Wort, und zwar mit dem Enthusiasmus der Bekehrten.

Als sie im Herbst 2021 als Außenministerin antrat, hegte man in Brüssel anfänglich die Hoffnung, dass sich eine Phase der Entspannung einstellen könnte. Vergeblich: Truss ist eine Brexit-Hardlinerin, wenige Monate später gleiste sie eine Gesetzesvorlage auf, die das Nordirland-Protokoll unilateral kündigt. „Der Grund, weshalb man mir beim Brexit vertraut, ist die Tatsache, dass ich mich seit 2016 reingekniet habe“, sagte Truss an einer Fernsehdebatte am Wochenende.

So dürfte es auch weitergehen, wenn sie Premierministerin wird. Die Chancen dafür stehen gut: Laut Umfragen ist Truss die bevorzugte Kandidatin der Tory-Basis.

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