Berlin. Die „Höegh Esperanza“ soll das erste schwimmende LNG-Terminal Deutschlands werden. Möglich ist das nur, weil sie anderswo durchfiel.

Ein kleines Stück Unabhängigkeit von russischem Gas entsteht in diesen Tagen in Wilhelmshaven. Dort, in direkter Nähe des Nationalparks Wattenmeer, soll bald das erste schwimmende LNG-Terminals Deutschlands an den Start gehen. Unter der Regie von Energiekonzern Uniper soll dort die „Höegh Esperanza“ ihren Betrieb aufnehmen – ein Schiff, dass Flüssiggas wieder in seinen gasförmigen Zustand verwandelt und das über den Sommer gechartert wurde.

Doch dass das Schiff überhaupt so kurzfristig verfügbar war, hat einen Grund: In Australien, wo die „Höegh Esperanza“ eigentlich ab 2023 nahe Melbourne Flüssiggas in den Bundesstaat Victoria bringen sollte, haben die Behörden das verhindert. Zu gravierend waren nach ihrer Beurteilung die Auswirkungen auf die Umwelt.

LNG-Terminalschiffe leiten Wasser mit Chlorrückständen wieder ins Meer

Seiner Einschätzung nach werde das Projekt „inakzeptable“ Folgen für die Natur haben, schrieb der damals zuständige Minister des Bundesstaats, Richard Wynne, in einer 80-seitigen Analyse. Er begründete das unter anderem mit der Einleitung von Chlor in die Gewässer des umliegenden Naturschutzgebiets.

Denn damit das Flüssiggas, das mit einer Temperatur von minus 162 Grad per Tanker ankommt, wieder in seinen gasförmigen Zustand gebracht werden und ins Pipelinenetz eingespeist werden, kann, muss es zunächst aufgewärmt werden. Für die Erwärmung wird Meerwasser genutzt, und Chlor kommt zum Einsatz, um zu verhindern, dass die Rohre verstopfen. Das Wasser wird anschließend zurück ins Meer geleitet – einschließlich der Reste des verwendeten Chlors.

Einen geplanten Grenzwert von 0,1 Milligramm Chlor pro Liter stuften die australischen Behörden 2021 als zu hoch ein. In Wilhelmshaven allerdings rechnet Uniper laut Antragsunterlagen damit, dass bis zu 0,2 Milligramm Chlor pro Liter in die Nordsee gelangen. Der geplante Anleger liegt wenige Kilometer entfernt vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

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Umweltschützer fürchten negative Folgen für den Nationalpark Wattenmeer

Welche Auswirkungen das auf die Natur des Wattenmeers haben könnte, ist unklar. Denn um in der Krise die Verfahren für schwimmende und fest installierte LNG-Terminals voranzutreiben, hatte die Bundesregierung im Sommer das LNG-Beschleunigungsgesetz geschrieben. Darin ist festgelegt, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen, wie sie bei Projekten dieser Art eigentlich üblich sind, ausgesetzt werden können, „wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden“.

Umweltorganisationen kritisieren das scharf. „Jetzt rächt es sich, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist“, sagt Constantin Zerger, Experte für Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe, dieser Redaktion. „Dieser umweltpolitische Fehltritt zeigt: Auch in Krisenzeiten dürfen wichtige Umweltvorgaben nicht leichtfertig aufgegeben werden.“ Die DUH fordert deshalb, die Umweltverträglichkeitsprüfung sofort für alle geplanten LNG-Terminalprojekte nachzuholen.

Deutsche Umwelthilfe: Bundesregierung hat das Schiff von der „Resterampe“

Die Bundesregierung drohe, hinter internationale Umweltstandards zurückzufallen, sagt Zerger. „Die ‚Höegh Esperanza´ hat sie offenbar von der Resterampe, nachdem das LNG-Terminalschiff in Australien keine Umweltzulassung erhalten hatte.“

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.