Berlin. Es ist unverständlich, wenn nach einem Corona-Ausbruch um die Lockdown-Maßnahmen gefeilscht wird – in Gütersloh wie in anderen Städten.

Es hätte so schön sein können. Mit steigenden Temperaturen sinken die Infektionszahlen, und das normale Leben kehrt zurück. Biergarten, Schwimmbad, gemeinsames Grillen im Garten, alles wieder möglich. Coronavirus – war da was?

Der heftige Ausbruch in der Fleischfabrik von Kotelett-Milliardär Tönnies hat uns aus diesem schönen Traum gerissen. Das Virus ist noch da, und es kann binnen Tagen Tausende Menschen einer Region befallen.

Einigung auf harte Beschränkungen – eigentlich

Deutschland hat sich locker gemacht und offenbar vergessen: Es ist gerade etwas mehr als anderthalb Monate her, seit sich Bundesregierung und Ministerpräsidenten nach zähen Verhandlungen auf einen Weg aus dem Lockdown geeinigt haben. Lesen Sie auch: Corona-Lockdown in Gütersloh: Die wichtigsten Fragen

Zur Erinnerung: In Kreisen mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen sollten harte Beschränkungen greifen. Die Ministerpräsidenten – unter ihnen Armin Laschet – vereinbarten mit der Bundesregierung auch explizit „Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus“, wenn die Zahl weiter steigt.

Verantwortliche feilschen wie Teenager

Eine klare Regel, die eigentlich keinen Interpretationsspielraum lässt. Daher ist es umso unverständlicher, wenn Verantwortliche um Lockdown-Maßnahmen feilschen wie Teenager um die Ausgangszeit am Wochenende.

Ja, es ist wirklich hart für die Menschen im Landkreis Gütersloh, wenn sie am Freitag nicht einfach in die Sommerferien fahren können. Aber es wäre noch härter, wenn sich Urlauber am Hotelpool oder im Restaurant ohne Not gegenseitig ansteckten.

Armin Laschet hat recht, wenn er sagt, man darf die Menschen aus Gütersloh nicht stigmatisieren. Aber man darf von ihnen erwarten, dass sie Verantwortung tragen und mithelfen, dass Deutschland weiter gut durch die Krise kommt. Dabei ist es zumutbar, für den Gesundheitsschutz zu Hause Ferien zu machen. Mit weichen Empfehlungen oder Mahnungen allein wird das nicht funktionieren.

Freiheit durch persönlichen Verzicht

Fast 9000 Menschen sind in Deutschland bereits gestorben, die meisten von ihnen körperlich schwach und der tödlichen Kraft des Virus schutzlos ausgeliefert. Millionen Deutsche können gleichzeitig die neuen Freiheiten nur genießen und die Wirtschaft am Laufen halten, wenn ALLE im Pandemiefall bereit sind, auf persönliche Freiheiten zu verzichten. Lesen Sie auch: Tönnies-Ausbruch zeigt: Die Corona-Pandemie bleibt

Gütersloh ist kein Gulag, und den Urlaub kann man im Notfall verschieben. Die Menschen in den betroffenen Regionen dürfen auch nicht vergessen: Was heute Gütersloh ist, kann morgen Gera oder Glücksburg sein. Solidarität im Kampf gegen das Virus wird noch in vielen Städten und Kreisen nötig sein, damit wir alle freier leben können. Auch die Gütersloher werden früher oder später davon profitieren.

Laschet muss das ganze Land im Blick haben

Armin Laschet denkt als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens natürlich zuerst an die eigene Bevölkerung. Das tun andere Ministerpräsidenten auch. Aber wenn der Aachener nächstes Jahr Kanzler werden will, muss er schon jetzt das ganze Land im Blick haben. Das heißt: Er muss schon heute die Sorgen der Bayern, der Schleswig-Holsteiner und der Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern genauso ernst nehmen wie die Ängste der Menschen an Rhein und Ruhr. Lesen Sie auch: Christian Drosten warnt vor Corona-Ausbrüchen im Herbst

Es geht ausschließlich darum, diese Pandemie möglichst gut zu bewältigen. Das kann einem alleine nicht gelingen. Deshalb braucht es die besten Ideen und die politische Gestaltungskraft aller Beteiligten. Dem Wähler ist es auch völlig egal, ob politisch am Ende das „Team Locker“ (Laschet) oder das „Team Knallhart“ (Söder) die Nase vorn hat. Er will nur eines: gesund und mit überschaubarem wirtschaftlichen Schaden aus dieser historischen Krise kommen.

Mehr Infos zur Coronavirus-Pandemie: