Berlin. Der Einmarsch der Türkei in kurdische Gebiete in Nordost-Syrien könnte Experten zufolge auch zu Spannungen in Deutschland führen.

Die Offensive der Türkei gegen Kurden im Nordosten Syriens könnte nach Expertenmeinung zu Spannungen in Deutschland führen. Auch hierzulande ist das Verhältnis zwischen Menschen mit kurdischen und türkischen Wurzeln schwierig – und könnte durch die am Mittwoch gestartete türkische Militäroffensive weiter belastet werden. Am Wochenende demonstrierten Tausende Menschen etwa in Berlin, Hamburg und Frankfurt gegen die türkische Offensive in Syrien.

Der Dortmunder Politikwissenschaftler und Türkei-Experte Burak Çopur befürchtet in Deutschland eine Radikalisierung auf der kurdisch- und türkischstämmigen Seite, werde der Kurdenkonflikt nicht friedlich gelöst. Eine Eskalation könne nicht ausgeschlossen werden, sagte er der dpa: „Die Kurdenfrage ist ein ungelöster Identitätskonflikt in der Türkei, der mit der Migration auch nach Deutschland getragen wurde“, betonte Copur, Professor an der privaten Hochschule IUBH Dortmund.

Offensive der Türkei in Syrien: 130.000 Menschen auf der Flucht

Nachdem die USA den Abzug ihrer Truppen aus der Region angekündigt hatten, starte die Türkei am Mittwoch eine Invasion im Grenzgebiet zu Syrien. US-Streitkräfte und Einheiten der kurdischen YPG-Miliz hatten dort gemeinsam gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gekämpft. Die Türkei sieht in der YPG einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bezeichnet diese als Terroristen. Seit Beginn der türkischen Offensive sind nach Schätzungen des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe mehr als 130.000 Menschen auf der Flucht.

Burak Copur, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte und Professor an der privaten Hochschule IUBH (Dortmund).
Burak Copur, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte und Professor an der privaten Hochschule IUBH (Dortmund). © dpa | ---

Die Deutsch-Kurden – nach Schätzungen sind es bundesweit bis zu 1,2 Millionen – lehnten die türkische Offensive mehrheitlich deutlich ab, so der Dortmunder Forscher. Viele seien bereits gegen die Militäraktion auf die Straße gegangen. Dagegen stimme die türkische Community, die von islamisch-konservativen Milieus dominiert sei, dem Einmarsch überwiegend zu.

US-Präsident Trump rät Kurden zum Rückzug

Im Grenzgebiet will die türkische Regierung eine „Sicherheitszone“ unter ihrer Kontrolle einrichten, aus der sich alle Kurdenmilizen zurückziehen sollen. Dort will sie Millionen syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei leben.

US-Präsident Donald Trump hat den kurdischen Kämpfern unterdessen geraten, sich aus dem umkämpften Grenzgebiet zurückzuziehen. Es sei sehr schwierig, eine Streitmacht zu schlagen, die - anders als die eigenen Einheiten - über eine Luftwaffe verfüge. Am Sonntag ordnete er zudem einen weiteren Truppenrückzug an, damit US-Soldaten nicht zwischen die Fronten geraten. Deutschland hat seine Waffenexporte in die Türkei bereits gestoppt. Zudem forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Ende der Militäroffensive der Türkei in Syrien.

IS-Kämpfer könnten aus Haft fliehen

Gleichzeitig warte Trump die Türkei nach dem Einmarsch der Türkei in Syrien vor der Flucht gefangen genommener IS-Kämpfer und bekräftigte Sanktionsdrohungen gegen die Türkei. „Ich habe der Türkei klargemacht, dass wir sehr schnelle, starke und harte Wirtschaftssanktionen verhängen, wenn sie ihre Verpflichtungen nicht einhalten“, sagte Trump am Samstag (Ortszeit). Nach Angaben von kurdischen Behörden sollen nach Beginn der türkischen Offensive bereits 785 ausländische IS-Sympathisanten aus einem Lager in Nordsyrien geflohen sein. (aky)