Washington. Kontroverse um den ersten schwarzen US-Verteidigungsminister: Bidens Entscheidung für Lloyd Austin ist unter den Demokraten umstritten.

Als Lloyd Austin einmal von Journalisten gefragt wurde, wie er seinen Status als einer der ganz wenigen hochrangigen Schwarzen im US-Militär bewertet, sagte der im tiefen Süden Alabamas geborene Sohn eines Post-Angestellten: „Wenn Sie heute Tiger Woods fragen, wie er sich fühlt als der beste afro-amerikanische Golfspieler der Welt, würde er Ihnen sagen, dass er nicht als der beste schwarze Golfspieler bekannt sein will – sondern als der beste Golfspieler.”

Mit anderen Worten: Ethnische Zugehörigkeit hat hinter Können und Profession zurückzustehen. Wenn das so einfach wäre. Die Hautfarbe des 67-Jährigen spielte eine wichtige Rolle bei der von US-Medien berichteten Entscheidung des neuen Präsidenten Joe Biden, den ehemaligen Vier-Sterne-General für den Posten des ersten schwarzen Verteidigungsministers in der US-Geschichte zu nominieren.

James Clyburn: Demokraten wollten Abgeordneten in Schlüsselpositionen sehen

Bevor die hochkarätige Personalie in dieser Woche offiziell wird, gab es massive Bestrebungen führender schwarzer Top-Demokraten um den Kongress-Abgeordneten James Clyburn, Schlüsselpositionen in Bidens Kabinett im Sinne der Vielfalt mit Afro-Amerikanern zu besetzen. Dadurch fiel die bis zuletzt favorisierte ehemalige Staatssekretärin im Pentagon, Michèle Flournoy, hinten herunter. Die 59-Jährige wäre Amerikas erste weibliche „secretary of defense” geworden.

Clyburn hatte durch seine lautstarke Pro-Biden-Empfehlung bei den Vorwahlen im Frühjahr in South Carolina maßgeblich dazu beigetragen, dass Biden die Präsidentschaftskandidatur gewinnen konnte.

Joe Biden umgeht mit Lloyd Austins Wahl Gesetz

Neben der Tatsache, dass Lloyd Austin seit 2016 im Vorstand des US-Rüstungsherstellers Raytheon sitzt, stoßen sich viele Demokraten daran, dass Biden mit der Personalie das traditionelle Gebot der zivilen Führung des Pentagon umgeht.

Gewählter US-Präsident Joe Biden.
Gewählter US-Präsident Joe Biden. © dpa | Andrew Harnik

Bereits als Donald Trump 2017 den Ex-Vier-Sterne-General James Mattis als Chef des für 1,2 Millionen Soldaten und ein Jahresbudget von zuletzt 730 Milliarden Dollar verantwortlichen Verteidigungsministeriums installierte, murrte der Kongress.

Hintergrund: Seit 1947 schreibt ein Gesetz vor, dass Karriere-Militärs zehn Jahre lang ins „Abklingbecken” müssen, bevor sie im Pentagon den Top-Posten übernehmen dürfen. Damit sollte verhindert werden, dass sich die größte Armee der Welt der politisch-zivilen Führung entzieht. Austin ist erst 2016 aus dem Militärdienst ausgeschieden.

Die Karenzzeit wurde zwischenzeitlich auf sieben Jahre reduziert. Schon bei James Mattis musste deshalb vom Kongress eine bis dahin nur ein Mal genutzte Ausnahmegenehmigung (George Marshall 1950) aktiviert werden, um den Ex-Uniformträger amtsfähig zu machen. „Das sollte nur ein Mal in einer Generation passieren”, sagte 2017 der demokratische Senator Jack Reed, selbst ehemaliger Army Ranger, und kündigte an: Extra-Würste für künftige Fälle werde es mit ihm nicht mehr geben.

Meinungsmacher im demokratischen Lager, etwa die frühere Obama-Beraterin Rosa Brooks, sehen in Bidens Personalvorschlag eine „furchtbare Botschaft”. Das Pentagon müsse gerade nach den vier Trump-Jahren, in denen vier Minister verschlissen wurden, zwingend unter die Führung eines Zivilisten gestellt werden. Der Publizist David Rothkopf stimmt zu. Austin militärische Karriere sei tadellos, sagte er, politische Visionen seien von ihm aber kaum zu erwarten.

Austin: Seine bisherige Karriere vor Bestätigung im Senat

Sollte Austin die Ausnahmegenehmigung bekommen und im Senat bestätigt werden, durchbräche er nach 41 Jahren als Soldat eine weitere „Glasdecke”. Der Absolvent der Akademie in West Point war der erste schwarze Vize-Chef der Armee. Von 2010 bis 2011 lenkte er die US-Truppen im Irak. Präsident Obama attestierte ihm „weise Urteilskraft und unerschütterliche Führung”. Austin wurde von der New York Times der „unsichtbare General” genannt. Er gab so gut wie nie Interviews und mied konsequente die politische Blase Washingtons.

Umso größer waren die Schlagzeilen, als er – seinerzeit federführend verantwortlich für die Bekämpfung des Terrornetzwerkes Islamischer Staat (IS) – 2015 in einer Kongress-Anhörung punktuelles Scheitern einräumte. Das Pentagon hatte eine halbe Milliarde Dollar investiert, um syrische Kämpfer gegen den IS in Stellung zu bringen. Auf die Frage, wie viele Söldner am Boden im Einsatz seien, räumte Austin ein: „Vier. Oder fünf.”

2013 wurde Austin, der in 70er Jahren in Deutschland stationiert war, Nachfolger des bei Obama in Ungnade gefallenen James Mattis als Chef des „Central Command” (Centcom). Der auf der MacDill-Luftwaffenbasis in Tampa/Florida untergebrachte Leitstand befehligt amerikanische Militäreinsätze in 20 Ländern von Afghanistan über Ägypten bis Irak.

Joe Biden kennt Ex-General Lloyd Austin aus seiner Zeit als Vizepräsident von mehreren Reisen in den Irak. Die beiden Männer haben nach Angaben von Insidern ein Vertrauensverhältnis. Biden schätzt die zurückhaltende Art des 67-Jährigen. Er erhofft sich durch Austin auch Unterstützung bei der zeitnahen Auslieferung der Corona-Impfstoffe. Hier hat das Militär die logistische Führungsrolle.